Der König aus Ghana

Cephas Bansah repariert Autos in Deutschland und gilt als Feten-Knaller. Der spirituelle Herrscher arbeitet, singt, sammelt und tingelt zum Wohl seines ghanaischen Volkes. Sein Motto: Kämpfen

Ein Buch über ihn mit dem Titel „Majestät im blauen Anton“ kostet 20 Euro

von HEIDE PLATEN
(Text)und MATHIAS ERNERT (Fotos)

Der König muss immer Zeit haben für ihre Sorgen, sagen die Gbi, ein Unterstamm des afrikanischen Volkes der Ewe. Der König hat immer Zeit für alle, deshalb hat er nie welche. König Bansah V. saust in die Werkstatt, hebt mit der einen Hand einen defekten Auspuff aus dem Kofferraum, der Kunde hat es eilig, telefoniert nebenbei, vertröstet Wartende, flitzt in die Küche im Wohnhaus nebenan, setzt den Wasserkessel auf. Der Gast muss Tee mögen. Oder Milch. Der König, ehemaliger Bezirksboxmeister im Fliegengewicht, hält sich fit. Das aprikosenfarben getünchte Einfamilienhaus im Ludwigshafener Stadtteil Mundenheim fällt erst auf den zweiten Blick auf. Zwei mächtige geschnitzte Holsäulen halten den Balkon, Schnitzwerk auch an der Brüstung, an der Haustür, an der Wand darüber hängen afrikanische Masken und ein Kruzifix. Der Firmenstempel gibt ebenfalls Rätsel auf. Über dem mächtigen, runden Siegel mit der Krone steht zu lesen: „Königliche Autowerkstatt, Cephas Bansah, König von Hohoe Ghana, Kfz- und Landmaschinenmeister“.

Der umtriebige kleine Mann mit dem runden, glatten Gesicht, den Lachgrübchen und den blitzenden braunen Augen unter langen Wimpern ist König des Volkes der Ewe. Die Ewe leben im Osten Ghanas um ihre Hauptstadt Hohoe, in Togo und in Benin. Früher waren sie Teil des sagenhaften, 1826 besiegten Ashanti-Reiches mit der Hauptstadt Notse im heutigen Togo. Die Ewe erzählen sich, sie seien im 17. Jahrhundert vor dessen grausamen Herrscher Agokoli geflohen. Das Volk habe ihn einfach verlassen, habe seine Spuren verwischt und sei im großen Treck nach Westen fortgegangen. Cephas Bansah (54) ist auch fortgegangen. 1970 schickte ihn sein Großvater nach dem Technikum zur Lehre nach Deutschland. Er wird Landmaschinen-Mechaniker, heiratet, macht seinen Landmaschinen- und Kraftfahrzeugmeister und eröffnet eine Reperaturwerkstatt. Anfangs, sagt er, habe er in Deutschland an Einsamkeit gelitten. Er sei, wie gewohnt, jeden Sonntag in die Kirche gegangen, um Leute kennen zu lernen. Und habe entdecken müssen, dass die Gotteshäuser leer waren: „Ich war sehr enttäuscht. In Afrika sind alle Kirchen immer voll.“

Die Berufung zum spirituellen Führer seines Volkes, der über 200.000 Gbi, erreichte ihn völlig überraschend und per Telefon. Seit 1987, fünf Jahre lang, war die Position nach dem Tod des Großvaters vakant gewesen. Die Erbfolge hatte ihn ereilt, weil sein Vater und sein älterer Bruder nach der Überzeugung der Gbi als Linkshänder nicht zum König geeignet waren. Cephas Bansah ist Rechtshänder. Er nahm an und stellte sich 1992 vor seiner Krönung einer schmerzhaften Initiation. Entsprechend den zwölf Stämmen seines Volkes ritzen ihn deren zwölf Häuptlinge mit scharfen Messern an zwölf Körperstellen. Er trank das Blut eines frisch geschlachteten Schafes, das ihn gegen böse Menschen und Intrigen schützen soll. Aber er stellte auch seine eigenen Bedingungen. Er wolle, verkündete er, von Deutschland aus regieren.

Seither fliegt er sechs- bis neunmal pro Jahr die 6.000 Kilometer in die Heimat und regelt seine Geschäfte ansonsten per Telefon, Fax und Internet. Statthalter in Ghana ist sein Bruder Fridolin. 1995 krönte ihn die alljährliche Ewe-Konferenz der Häuptlinge dann auch zum „Superior and Spiritual Chief“ des ganzen, über drei Millionen zählenden Ewe-Volkes. König Bansah ist sicher, dass sein Sohn einmal seine Nachfolge übernehmen wird.

Ghana wurde 1957 als erstes afrikanischen Land südlich der Sahara unabhängig, Kwane Nkrumah war erster Präsident, so charismatisch wie umstritten. Er verschuldete das rohstoffreiche Land und wurde 1966 vom Militär gestürzt. Die Wirren brachten 1981 den absolutistisch herrschenden, prowestlichen Jerry John Rawlings an die Macht. In Ghana leben fünfzig Völker. Zehn Könige regieren die Provinzen. Die Religionen, etwa zur Hälfte Christen unterschiedlichster Couleur, sind so synkretistisch und vielfältig wie die Sprachen.

Die Ewe sind die drittgrößte Volksgruppe. Bansah ist evangelisch-presbyterianischer Christ, akzeptiert aber auch den tief in seinem Volk verwurzelten Voodoo. Die Ewe, sagt er, seien im Besitz des ältesten Voodoo-Heiligtums der Welt. Zum Glauben aller Gruppen gehören Ahnenkult, Trommeln, Tanzen, Trance, Visionen, Zauber. „Wir sind nicht alle gleich, jeder ist anders in seiner Spiritualität.“ Und am Ende, so Bansah, sei „doch die Natur die Stärkere auf dieser Erde“.

Welche Macht hat nun ein traditioneller König in einer jungen Demokratie, in der seit Januar 2001 Staatspräsident John Agyekum Kufuor regiert? Er sei, sagt Bansah, nicht das weltliche, sondern das spirituelle Oberhaupt seines Volkes, stehe für die Verbindung zu den Ahnen, sei Wahrer der Religion, der Riten und Feste und außerdem zuständig für Familienangelegenheiten und Streitigkeiten, niedere Gerichtsbarkeit, für Probleme bei der Landverteilung und ganz generell für das Wohlergehen der Ewe. Für sein Volk sind seine Befehle zwar einerseits sakrosankt, andererseits aber manchmal auch sehr europäisch und deshalb fremd, zum Beispiel wenn er sagt: „Ihr müsst mehr arbeiten und weniger Kinder machen.“

Die Zusammenarbeit mit der derzeitigen Regierung sei ganz hervorragend: „Kufuor macht seine Aufgabe bis jetzt sehr gut.“ Und die Regierung komme überhaupt besser zurecht, seit sie angefangen habe, nach dem Modell des britischen Oberhauses „auf die Häuptlinge zu hören“. Das Land sei zwar arm, aber es gehe aufwärts, es gebe genug allgemeinbildende Schulen, der Bildungshunger der Bevölkerung sei enorn. Und: „Niemand hungert, alle haben etwas zu essen.“

Bansah kümmert sich von Ludwigshafen aus um die Infrastruktur seines Landes, sammelt für den Straßen- und Brückenbau, für Wasseraufbereitungsanlagen und Fachausbildung der Jugendlichen. Er kauft, sucht, sammelt, wirbt Sponsoren und Spender. Regelmäßig liefern Containerschiffe Elektromotoren, Wasserpumpen, gebrauchte Fahrräder und Mofas, einen Krankenwagen.

Dass er dabei nicht trommelt, sondern kräftig auf die Pauke haut, ist ihn kein bisschen peinlich. Er tingelt im vollen Ornat, gehüllt in bunte, wallende Gewänder, die hohe vergoldete Krone auf dem Haupt, durch Talkshows, amtierte als erster männlicher Weinkönig, posiert mit dem Ramschkönig Metzen, präsidiert auf Karnevalssitzungen, Misswahlen, Sport- und Vereinsfesten, in Gemeinde-, Bürger- und Brauhäusern. Er singt Schlager, verkauft Videos und CDs, deren Werbung ihn als „echten Feten-Knaller“, „Bürger-King“, bei dem in „Deutschlands Tanzsälen die Kronleuchter wackeln“, anpreisen. Was sein muss, muss sein. „Wirf den Wanderstab nicht fort, ehe du aus dem Sumpf heraus bist“, heißt ein Ewe-Sprichwort. Und das königliche Motto beschränkt sich auf ein Wort: „Kämpfen!“

In der großen Küche in Mundenheim steht der Shop in der Ecke gleich neben der Tür: T-Shirts, CDs, ein Regal mit ghanaischem Kunstgewerbe, hölzerne Elefanten, Nilpferde, Giraffen in allen Größen. Der König verkauft und kassiert persönlich. Ein Buch über ihn, die „Majestät im blauen Anton“, kostet 20 Euro. Jeder Cent des Erlöses kommt seinem Volk zugute: Rollstühle für Behinderte, Brücken für die Landbevölkerung, Trinkwasseranlagen, eine Handwerksschule für Elektriker, Schweißer, Schreiner und Schmiede in Hohoe. Hinter dem bunten Titelbild des Buches verbirgt sich neben Information und Eigenwerbung auch eine Anklage gegen die westlichen Kolonial- und Industrienationen, die Afrika an den Rand des Ruins gebracht haben, und die Politik der Weltbank.

Außerhalb der Etikette ist er ein Kumpeltyp, Duzen inbegriffen. Auf sein neuestes Video „African Party“ ist er stolz. Da hüpft und singt der König – „Die Nacht ist heiß, und schwarz und weiß“. Dass bei Bansah einfach alles zusammenkommen kann, ist im Flur in Ludwigshafen-Mundenheim unübersehbar. Da hängen die Bilder hungernder afrikanischer Kinder neben denen feierlicher Empfänge. Bansah kommentiert knapp: „Wir haben noch viel zu tun.“ Am Kopfende neben der Küchentür steht ein hölzener afrikanischer Königsthron, und auf dem liegen zwei große goldene Kronen: die des Ewe-Herrschers und die des Weinkönigs von Trittenheim.