In forschem Gang erstarrt

Wein ist auf der Grünen Woche zwar vertreten, aber die kleinen Weingüter und Spitzenerzeuger bleiben zunehmend aus. Mit aggressiven Verkaufstechniken wird Industrieware unter die Leute gebracht – und die Weinkönigin macht’s auch nicht besser

VON TILL DAVID EHRLICH

Rituale feiern oft Dinge, die erstarrt sind, bar jeder Lebendigkeit und Seele. Der Wein auf der Grünen Woche ist so ein Ritual. Früher waren auch kleine Weingüter zahlreich vertreten, darunter Spitzenerzeuger. Obgleich viele Aussteller noch in einigen Hallen präsent sind, sinkt ihre Zahl seit Jahren kontinuierlich. Der Mechanismus ist oft der gleiche. Weingüter, die seit Jahrzehnten auf der Messe vertreten sind, reduzieren ihre Ausstellungsfläche, um später ganz auf den Messeauftritt zu verzichten.

Das Weingut Schlossgut Diel in Burg Layen im Weinbaugebiet Nahe gehört qualitativ zu den Guten in Deutschland. Es ist besonders auf respektable Rieslingweine spezialisiert. Zwanzig Jahre lang haben die Diels alljährlich auf der Grünen Woche ihren zehntägigen Auftritt eisern durchgezogen. Seit drei Jahren kommen sie nicht mehr. Der Grund: Seit Ende der Achtzigerjahre ist es immer schwieriger geworden, dort neue Weinkunden zu gewinnen. Dieses Problem sehen auch andere qualitätsorientierte Selbstvermarkter wie die Weingüter Fritz Allendorf aus dem Rheingau oder Hermann Barth von der Nahe. Beide haben in diesem Jahr erstmals die Standfläche verkleinert.

Der Auszug des Weins auf der Grünen Woche begann vor etwa 15 Jahren, als immer mehr große Weinversender ihre Präsenz ausbauten und damit den Charakter der Messe veränderten. Es sind heute Weinkonzerne wie Maximilian Pallhuber oder die Pieroth-Gruppe, die mit ihren zahlreichen Tochterfirmen das Feld bestimmen. Das beackern psychologisch geschulte Verkaufsprofis. Ist man einmal in deren Kundenkartei, erhält man schon im Vorfeld der Messe Einladungen, denen oft Mitteilungen beiliegen, man habe irgendetwas gewonnen, etwa billige Weinpräsente, -untersetzer und Korkenzieher. Der Firlefanz soll an die Stände locken. Und wer dort sein „Geschenk“ abholen will, soll natürlich Wein probieren. Verkostet wird selten aus Weingläsern, Plastikbecher, die an große Fingerhüte erinnern, sind die traurige Regel. Die aggressiven Verkaufstechniken der Profis, die auch mit Provisionsbeteiligung honoriert werden, zielen stets auf eine umfangreiche Weinbestellung ab. Die Weine selbst sind meist austauschbare Industrieweine, die relativ teuer verkauft werden. Vereinzelt trifft man in diesem Umfeld noch auf seriöse und kleine Weingüter, aber sie sind in der Minderzahl, Tendenz sinkend. Denn die Weinversender ziehen ein Publikum an, das nicht vornehmlich an Weinqualität interessiert ist, sondern nach Schnäppchen und vermeintlichen Gewinnen jagt.

Kleine Lichtblicke sind noch die Informationsstände von internationalen Weinbauverbänden oder staatlichen Weinmarketinggesellschaften. Etwa Sopexa, die staatlich geförderte französische Weinwerbung. In der Frankreichhalle hat sie Stände mit Infomaterial zu französischen Weingebieten und Weinen aufgebaut, bietet dort teilweise auch Weinproben und -seminare an, alles ohne Kaufzwang. Aber auch hier gibt es Tendenzen des Rückzugs.

Das Deutsche Weininstitut (DWI), die bundesweite Werbezentrale für deutsche Weine, hat nun erstmalig sein Engagement drastisch verkürzt. Statt, wie seit Jahrzehnten üblich, an allen zehn Messetagen für deutsche Weine zu werben, gibt es jetzt ein Kurzprogramm. Dieses beschränkt sich auf die ersten Messetage, in denen Politprominenz medienwirksam die Stände abschreitet.

Höhepunkt der oft biederen Weinwerbung des DWI ist traditionell die Präsentation der aktuellen deutschen Weinkönigin auf der Grünen Woche. Die heißt Nicole Then, ist 22 Jahre jung und pausiert für ihr hohes Amt ein Jahr von ihrem Betriebswirtschaftsstudium. Sie soll vor allem immer nett lächeln, gut aussehen und mit Fachwissen und Charme trumpfen.

Mit diesem vermeintlichen Joker glaubt das DWI, das immer noch ramponierte Image deutscher Weine optimal gestalten zu können. Welches Verständnis von Wein und seiner Kultur sich damit verbindet, wird auf der Internet-Seite des DWI (www.deutscheweine.de) deutlich, die die Weinkönigin charakterisiert: „Sie ist jung, energisch und es ist nicht ganz einfach, mit ihrem forschen Gang Schritt zu halten. Sie fährt einen schwarzen BMW 318 TD und schätzt daran besonders das Navigationssystem. Nicole Then rollt beim Sprechen das ‚R‘, und an der Bar bestellt sie eher ein Glas Wein als einen Cocktail. Manchmal trägt sie ein zierliches Diadem im Haar, denn die junge Fränkin aus Sommerach regiert seit wenigen Wochen als Deutsche Weinkönigin.“