US-Offensive in den Philippinen vertagt

Weil Manila und Washington sich nicht einigen können, gibt es zunächst keine US-Offensive gegen Abu Sayyaf

BERLIN taz ■ Die Regierungen in Manila und Washington wollen auch in diesem Jahr die Terror- und Kidnappergruppe Abu Sayyaf im Süden der Philippinen gemeinsam bekämpfen. Schon 2002 gab es auf der Insel Basilan sechsmonatige Manöver von Truppen beider Staaten. Dabei trainierten über 1.000 US-Spezialisten einheimische Militärs „on the job“ im Kampf gegen Abu Sayyaf. Jetzt sollte dieser Kampf mit größerer Beteiligung von US-Soldaten auf der benachbarten Insel Jolo fortgesetzt werden, wohin viele Abu-Sayyaf-Kämpfer geflüchtet waren. Doch an der Frage, ob die US-Soldaten nur trainieren oder auch kämpfen, ist der Einsatz erst mal gescheitert. Denn die Verteidigungsminister Angelo Reyes und Donald Rumsfeld konnten sich am Freitag in Washington nicht auf die Modalitäten für den US-Einsatz einigen. Der wurde darauf erst mal vertagt, obwohl schon die ersten der 3.000 US-Soldaten in Japan eingeschifft worden waren. Laut Rumsfeld verhandeln beide Seiten jetzt weiter.

Die philippinische Verfassung verbietet den Kampfeinsatz ausländischer Truppen im Land. Allerdings genehmigte das Oberste Gericht im vergangenen Jahr deren Teilnahme an Trainings und Manövern und den Waffeneinsatz in Notwehr. Die Kontroverse wurde ausgelöst durch ein Briefing des Pentagon vor knapp zwei Wochen, wo US-Beamte von einem Kampfeinsatz sprachen. Vorausgegangen war eine Einigung beider Regierungen, dass in Jolo die US-Truppen im Gegensatz zum vergangenen Jahr auch an vorderster Front dabei sein sollten, wenn auch weiter unter philippinischem Kommando. Wegen des erhöhten Risikos gehen die USA von einem Kampfeinsatz aus, was für ihre Soldaten bedeutet, zuerst schießen und offensiv kämpfen zu dürfen. Dem steht die philippinische Verfassung entgegen. Nach dem Pentagon-Briefing geriet die philippinische Regierung innenpolitisch in die Defensive und versprach den Schutz der Verfassung.

„Es ist eine Frage von Definitionen und Semantik“, sagte Reyes. Rumsfeld vermied bei der Pressekonferenz nach dem Gespräch mit Reyes die Begriffe Kampfeinsatz, Manöver oder Training. Vielmehr sprach er von „Aktivität“. Auch zeigte er sich überzeugt, dass sich beide Seiten noch einigen. Die Differenzen wurden aber auch dadurch deutlich, dass Reyes nicht mit Rumsfeld vor die Presse trat. Unabhängig davon begannen 200 US-Militärs bei der südphilippinischen Stadt Zamboanga mit einem ohnehin geplanten Training einheimischer Soldaten. Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo befahl der Armee jetzt, Abu Sayyaf in 90 Tagen zu besiegen. Solche Befehle blieben schon früher ohne Erfolg. Jetzt sind dem Militär noch durch eine Offensive gegen die Moro Islamic Liberation Front, der größten Rebellenorganisation des Landes, die Hände gebunden.

Abu Sayyaf soll in der ersten Hälfte der 90er-Jahre Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida und ab 2000 zur Botschaft des Irak in Manila gehabt haben. Die Gruppe soll noch etwa 400 Kämpfer zählen, von denen die meisten in Jolo sind. Dort dürften sie schwer zu besiegen sein. In Jolo, wo 98 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, begingen US-Truppen bei ihrer Kolonialisierung 1906 und 1913 schwere Massaker. Die sind nicht vergessen. SVEN HANSEN