Die Frauenministerin: Birgit Fischer

Politik wollte Birgit Fischer nie machen. Doch nach dem Studium legte Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerin für Familie und Frauen, Gesundheit und Soziales die klassische Parteikarriere hin. Fischers Fazit: Ohne Quote geht es nicht

Eigentlich wollte sie nie Politik machen, dachte Frauenministerin Birgit Fischer nach ihrem Studium. Mit 25 Jahren und dem Diplom in der Tasche wollte die Pädagogin vor Ort arbeiten. Fischer wollte „Weiterbildung organisieren“, den Menschen „Chancen eröffnen“ und mit Aufklärung über Ernährung oder Hygiene für mehr Lebensqualität sorgen. Dass Sozialarbeit eng mit Sozialpolitik zusammenhängt, sei ihr erst später aufgegangen, sagt die heute 50-jährige.

Nach 23 Jahren Ochsentour durch die SPD ist Fischer heute ein Schwergewicht in der Landespolitik, mit den Ressorts Familie und Frauen, Gesundheit und Soziales eine weitere „Superministerin“ im Kabinett – obwohl ihr Parteivorsitzender, Bundeskanzler Gerhard Schröder, ihr Ressort gern als „Gedöns“ abqualifiziert. Geschafft hat das die Politikunwillige mit der klassischen Parteikarriere. Schon ein Jahr nach ihrem Eintritt bei den Genossen 1981 war sie stellvertretende Unterbezirksvorsitzende im Märkischen Kreis, 1990 im Landtag und bald auch parlamentarische Geschäftsführerin. Heute ist die Ministerin stellvertretende Landesvorsitzende und hat es bis in den Bundesvorstand der Partei geschafft.

Der große Schub kam mit dem Wechsel von Wolfgang Clement auf den Ministerpräsidentensessel nach der Landtagswahl 1998: Die auf der Landesbühne bis dahin eher unbekannte Bochumerin zog ins Kabinett ein. Dabei profitierte Fischer von der dünnen Personaldecke der nordrhein-westfälischen SPD. Der Bochumer Clement verkleinerte das Kabinett von zwölf auf acht Mitglieder, Frauenministerin Ilse Ridder-Melchers musste gehen. Fischer, die Neue, qualifizierte sich nicht nur mit ihrem bisherigen Job als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bochum, sondern auch mit ihrer beharrlichen Arbeit hinter den Kulissen.

Fischer ist ein diszipliniertes Arbeitstier: Selten arbeitet sie weniger als 12 Stunden am Tag, die Aktenberge auf ihrem Schreibtisch wirken wie mit der Wasserwaage ausgerichtet, der Terminkalender ist prall gefüllt. Darunter leide die Familie, „die müssen sich nach meinem Zeitplan richten“, bedauert Fischer. Ihr heute 20-jähriger Sohn blieb aus Pragmatismus Einzelkind. Schon seine Betreuung und Erziehung sei nur mit Hilfe ihres Mannes und ihrer Eltern möglich gewesen, erklärt Fischer und klingt dabei weder entschuldigend noch bedauernd. Sie habe auch beweisen wollen, dass Familie und Beruf vereinbar sind, das sei „selbst auferlegter Druck“ gewesen und „für das Selbstwertgefühl außerordentlich wichtig“.

Neben ihren Kabinettskollegen gilt Fischer als „die Nette“. Mit einem bewussten Lächeln hinter jeder Aussage wirbt sie um Sympathie. Die Antworten sind wohlüberlegt, privaten Fragen weicht sie aus. Nur bei der Frage nach dem Karrierebeschleuniger SPD wird sie ungehalten: Alle Parteien, von der CSU bis zu den Grünen, seien „nach wie vor stark männerdominiert“. Bei der Verteilung von Ministerposten würden die Ressorts nach Geschlecht besetzt, weil zum Beispiel die Meinung vorherrsche, dass eine Wirtschaftsministerin von den vorwiegend männlichen Entscheidungsträgern in den Unternehmen schlechter akzeptiert würde. Dabei klingt keine Verbitterung durch, eher milde Resignation. Sie ist überzeugt, dass sich „das Klima massiv verändert hat“ und Frauen in Spitzenpositionen selbstverständlicher geworden sind. Doch bis zur Gleichbehandlung von Mann und Frau ohne Quotenpolitik, glaubt die Frauenministerin, werde es noch mehrere Generationen brauchen. NADIA LEIHS