piwik no script img

nebensachen aus stockholmEine königliche Reise um den halben Globus nur wegen ein paar Ferraris

Brunei? Wo liegt Brunei? Und was macht der schwedische König in Brunei? Das fragen sich die SchwedInnen und wissen mal wieder nicht, ob sie über ihr Königshaus lachen oder weinen sollen. Zu diesem haben sie grundsätzlich ein wohlwollendes Verhältnis. Sie reagieren nur sauer, wenn Carl XVI. Gustaf bei seiner Neujahrsbotschaft meint Untertanen anpöbeln zu müssen, die warteten, dass ihnen „gebratene Tauben in den Mund fliegen“. Ausgerechnet er, dem alles auf dem Silbertablett serviert wird.

Die Medien spiegeln diesen Zwiespalt getreulich wieder. Regelmäßig trifft man auf kluge Kommentare, in denen die Abschaffung dieses unzeitgemäßen Relikts vererblicher Repräsentationsmacht gefordert wird. Doch wehe dem Kolumnisten, der ein heißes Eisen wie freitagnächtliche alkoholgeschwängerte Nachtklubbesuche der Königskinder ungeschminkt zum Thema macht. Da wird gnadenlos zensiert, und er hat dort seine letzte Zeile veröffentlicht.

Zurück zu Brunei. Im Februar reist das Königspaar zu einem Staatsbesuch in dieses kleine Sultanat auf der Insel Borneo. Seine Auslandsreisen werden Carl Gustaf regelmäßig vom schwedischen Außenministerium diktiert. Und das unter vorwiegend einem Gesichtspunkt: Was dient unserer Exportindustrie?

Weshalb JournalistInnen bei Brunei hellhörig wurden. In Bochum oder Bielefeld leben jeweils mehr Leute als in Brunei. Weshalb also eine Reise um den halben Globus in diesen Winzigstaat? Eine solche Priorität angesichts einer Reisezurückhaltung von gerade mal zwei bis drei Auslandsreisen jährlich?

Diese Fragen wurden noch interessanter, nachdem sich herausstellte, dass diesmal ausnahmsweise ein persönlicher Wunsch Carl Gustafs hinter dem Ziel steckt. In den Redaktionen kam man ins Grübeln. Das Motto: Dort war ich noch nie, dort will ich hin, traf nicht zu. Nachwühlen beim Königshof förderte zutage, dass seine Majestät, veranlasst durch ehrenamtliche Pfadfinderaktivität, im letzten Jahr schon einmal in Brunei war und dabei auch eine Ferrari-Ausstellung besichtigt hatte. Ferraris?

Der Nebel schien sich schlagartig zu lüften. Bruneis Sultan Hassanal Bolkiah und Schwedens Carl Gustaf haben ein gemeinsames Hobby. Beide sind Autonarren. Die Pressesprecherin des Hofs wies einen Zusammenhang zurück. Der König müsse nicht nach Brunei reisen, um Autos zu sehen. Klar doch. Wenn es vier Hangars voll mit über eintausend ebenso seltenen wie schnellen Sportwagen der Marken Ferrari, Porsche, Rolls Royce, Lamborghini und etliche mehr sein sollen, aber schon. Die nennt Bruneis Sultan sein Eigen. Auch mehrere Exemplare des Lieblingsautos des schwedischen Königs: Ferrari Maranello.

Es muss ja auch nicht unbedingt ein Fehler sein, wenn sich ein Monarch vorwiegend für die Elchjagd und schnelle Autos interessiert. Solange er ansonsten keine Dummheiten macht. Doch die macht Carl Gustaf mit seinem Brunei-Besuch. Regelmäßig taucht das Land auf der amnesty-Liste von Diktaturen auf, in denen die Folter zum Justizsystem gehört. Parteien hat der Sultan als „unnötig“ abgeschafft. Brunei wird seit vier Jahrzehnten über Ausnahmegesetzgebung regiert. Nicht nur peinlich, sondern auch skandalös, donnerte es da aus den Kommentarspalten: Der König solle gefälligst auch Reklame für die Demokratie machen und nicht mit seinem Besuch eine Diktatur aufwerten. Ferraris hin oder her. REINHARD WOLFF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen