Für das Kopftuch auf die Straße

In Paris folgen weniger Muslime als erwartet dem Aufruf einer rechtspopulistischen und antisemitischen Partei. Der Frauenblock ist von martialischen Männern umgeben. Am Rand der Demonstration werden grüne Schleifchen verkauft

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Gemessen an den Erwartungen des Organisators ist die Pariser Demonstration der Kopfttuchträgerinnen ein Reinfall: Mohamed Latrèche, Präsident der rechtspopulistischen und antisemitischen Partei Französischer Muslime (PMF), hatte zigtausende von TeilnehmerInnen bei den Protesten gegen das in Frankreich per Gesetz geplante Kopftuchverbot angekündigt. Es sind am Samstag aber nur ein paar tausend junge Mädchen und Frauen aus allen Provinzen Frankreichs sowie zahlreiche in Bussen aus Belgien angereiste Personen unterwegs. Manche Frauen tragen Kopftücher in den Farben der französischen Nationalfahne, halten arabischsprachige Transparente mit Koran-Zitaten hoch und skandieren auf Arabisch den Slogan: „Allah ist groß“. Eskortiert werden sie von einer deutlich größeren Zahl von Männern, die einen martialischen Ordnerdienst organisiert haben und von denen viele ebenfalls religiös gekleidet sind.

Am Rand der Boulevards, auf denen die Kopftuchträgerinnen demonstrierten, schätzen PolizistInnen und JournalistInnen die TeilnehmerInnenzahl auf „maximal 5.000“. Am Abend berichtet die Polizeidirektion von 10.000. Organisator Latrèche, der während der Demonstration von der Ladefläche eines Lastwagens aus Reden gehalten hatte, wonach „die Juden alles“ und „die Muslime nichts“ hätten, und der immer wieder „Hitler, Bush und Scharon“ gleichsetzte, behauptet sogar, 20.000 Menschen seien unterwegs gewesen.

Parallel zu der Pariser Demonstration gibt es in anderen französischen Städten kleinere Proteste gegen das Verbot von „ostentativen religiösen Symbolen“ in der Schule. Die Trennung von Unterricht und Religion soll das seit 1905 für die französische Schule geltende Laizismus-Prinzip verstärken. Das Gesetz, das Erziehungsminister Luc Ferry im Auftrag des französischen Präsidenten Chirac geschrieben hat, wird Anfang Februar im Parlament debattiert. Auch im Ausland demonstrieren am Samstag muslimische FundamentalistInnen. In Berlin gingen etwa 1.000 Menschen auf die Straße.

Zahlreiche Demonstrantinnen warnen die Parteien einen Monat vor den nächsten Regionalwahlen: „Ein Kopftuch – eine Stimme“. Häufig ist auch der Satz: „Rühr mein Kopftuch nicht an“. Mitglieder islamistischer Organisationen verkaufen ein Schleifchen in der grünen Farbe des Islam und in der geschlungenen Form des „Aids-Schleifchens“. Der Erlös soll genutzt werden, um künftige Kopftuchträgerinnen an den Schultoren zu unterstützen. Mit dem Geld soll Fernunterricht für von der Schule verwiesene Kopftuchträgerinnen bzw. für ihre Einschulung in katholische Privatschulen bezahlt werden. Auch sei daran gedacht, „eigene muslimische Schulen zu finanzieren“, erklärt ein Schleifchenverkäufer, der mit einem Bus aus der Bourgogne nach Paris gereist ist.

Im Inneren der Demonstration ist die Stimmung aufgeregt. Viele Mädchen erzählen gleichzeitig von ihren „Begegnungen mit dem Glauben“. Über ihre unverkleideten Schwestern und Mütter lautet der Standardsatz: „Die sind noch nicht so weit.“ Als wäre das Kopftuch das zwangsläufige Endergebnis. Viele Kopftuchträgerinnen beschreiben sich als Opfer. Erzählen, dass sie „böse“ angeguckt werden, wenn sie sich verschleiern. Und beklagen sich darüber, dass sie „nur als Kopftuchträgerinnen“ wahrgenommen würden. FotografInnen werden oft abgewimmelt.

Zu manchen Blocks der Demonstration haben JournalistInnen überhaupt keinen Zugang. „Die Schwestern wollen nicht gestört werden“, begründet ein bärtiger Mann mit strengem Gesicht. Außerhalb des fest eingerahmten Demonstrationsblocks sind fast nur Männer unterwegs. Sie erklären unaufgefordert, dass das Kopftuch „ein Zeichen von Schamgefühl“ sei. Und dass es „im Koran vorgeschrieben“ sei. Am Ende der Demonstration werfen einige von ihnen kleine Teppiche auf den Rasen an der Place de la Nation. Und beten. Sauber getrennt von den Frauen.