Jagd auf Tanzis Milliardenkonto

Der Exchef des italienischen Pleitekonzerns Parmalat soll Milliarden ins Ausland geschafft haben. Ein Anwalt der Anleger weiß sogar die Kontonummer. Die Geprellten jubeln trotzdem nicht. Dafür nutzt die Regierung Berlusconi den Megabetrug für sich

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Kontonummer: 8660001841 bei der New Yorker Filiale der Bank of America, Kontoinhaber: Calisto Tanzi, Exchef der Parmalat, Kontostand: schlappe 7 Milliarden Dollar. – Darf man italienischen Zeitungen vom Samstag glauben, dann ist der mysteriöse „Parmalat-Schatz“ wieder aufgetaucht. Das jedenfalls behauptet der italienische Anwalt Carlo Zauli, der etwa 400 geschädigte Anleger vertritt, und Zauli beruft sich auf eine „sichere Quelle“. Die Bank of America dementierte sofort.

Wirklich aufgefunden wurden bisher magere 10 Millionen Euro bei einer Schadenssumme von 13 Milliarden. Außerdem ließen sich die Tanzi-Ehefrau mit 700.000 Euro, die sie gerade von einem Konto abgehoben hatte und die Frau des Ex-Parmalat-Finanzchefs Fausto Tonna mit gut einer Million erwischen.

So brach auf der Versammlung der Parmalat-Obligationskäufer am Samstag in Parma kein Jubel aus. Sie stellen sich auf realistischere Perspektiven als auf die Hebung von Milliardenschätzen ein: auf Schadensersatzklagen gegen die Parmalat, gegen die Banken, gegen die italienische Börsenaufsicht. Die italienischen Banken bestreiten wie die ausländischen Institute weiterhin jede Mitverantwortung, sehen sich selbst als „Opfer“ des Megabetrugs.

Doch die Staatsanwaltschaft konzentriert ihre Ermittlungen nun auf eine mögliche Mitverantwortung der Geldhäuser. Auskünfte werden nicht zuletzt von Alberto Ferraris erwartet. Der in Untersuchungshaft Einsitzende war im letzten Jahr für wenige Monate Finanzchef der Parmalat und hatte vorher als Manager bei der Citicorp gedient – jener ausländischen Bank, die sich wie keine andere bei Parmalat engagiert hatte. Die Ermittler gehen auch dem Verdacht nach, Parmalat habe sich dank Schmiergeldzahlungen über äußerst zahme Kontrollen der Finanzpolizei freuen können. Die Guardia di Finanza streitet das ab.

Derweil nutzt die Regierung den Parmalat-Zusammenbruch zu einer politischen Offensive. Sie will die unabhängige Stellung der Banca d’Italia schwächen und deren Gouverneur zum Rücktritt treiben. Schatzminister Giulio Tremonti erklärte letzte Woche zudem vor dem Parlament, die Notenbank habe „versagt“. Ihr gehe es nur um den Schutz der Banken, während die Regierung die Sparer in den Mittelpunkt stelle. So wird aus dem Machtkampf zugleich eine Publicity-Kampagne.

Dazu gehört auch, dass jetzt die rechten Medien des Landes, angefangen bei der RAI, damit beginnen, Calisto Tanzi als „Freund der Opposition“ zu präsentieren, obwohl der im letzten Wahlkampf zu den Großspendern von Berlusconis Forza Italia gehörte. Die Linke als Freund des Großkapitals und der Banken, das Berlusconi-Lager als Verteidiger der kleinen Leute: Wirtschaftspolitik mit einem Auge auf die Propaganda treibt die Regierung auch gegenüber den 5.000 Milchbauern, die Parmalat beliefern. Sie, die auf unbezahlten Rechnungen sitzen, sollen jetzt Vorzugskredite erhalten und ein Jahr von den Sozialabgaben befreit werden.