Verstehen statt üben

So war‘s: Die Pianistin Hélène Grimaud brillierte mit der Deutschen Kammerphilharmonie in der Glocke

Der große deutsche Cellist Siegfried Palm hat einmal gesagt, es gäbe keine technischen Probleme, wenn man ein Stück verstanden hat.

Das ist eine Behauptung und Ansicht, die die französische 33-jährige Pianistin Hélène Grimaud in einem Interview fast genauso ausgedrückt hat. Man müsse an die Klangfarbe, die Artikulation denken, finden, ob man eine Beziehung zu dem Stück hat, dann gehe es ganz einfach. Mechanisches Üben, sagt sie, sei sinnlos. Und so spielt sie auch, wie im letzten Konzert mit der Deutschen Kammerphilharmonie beglückend zu erleben war.

Maurice Ravels lichtes, „im Geist Mozarts“ geschriebenes Klavierkonzert in G-Dur schoss ihr nur so aus den langen, zerbrechlich wirkenden Fingern. Zusammen mit dem finnischen Dirigenten Jukka-Pekka Saraste entfaltete sie das pianistisch und orchestral hochvirtuose Konzert, eins der meistgespielten des 20. Jahrhunderts, in unendlich glitzernden Farben und mit einer ungemein federnden Rhythmik.

Und die Zugabe, der letzte Satz von Ludwig van Beethovens viertem Klavierkonzert, war allein in ihrer Länge wahrhaft großzügig. Die selten gespielte Kammersinfonie Nr. 2 in der seltenen Tonart es-Moll von Arnold Schönberg ist dagegen schwere, aber von der Kammerphilharmonie geliebte und häufig gespielte Kost.

Dieses merkwürdige, 1906 begonnene und 1939 vollendete Werk, mit dem Schönberg die Quadratur des Kreises probiert, in dem er die Reihentechnik im tonalen Bereich anzuwenden versucht, fokussierte Saraste auf einen insistierenden Trauergestus hin.

Und dann, in atemlosen Tempo, die Wiedergabe der 1788 entstandenen Es-Dur-Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart – eine klangliche Wucht, die fast schon ein bisschen zu viel des Guten war.

Ute Schalz-Laurenze