Die Elite-Reise nach Jerusalem

Nachdem der Bundeskanzler nun in Berlin die Humboldt-Uni zur Eliteschmiede ausbauen will, melden sich jetzt Technische und Freie Universität – und wollen natürlich mitgefördert werden

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der Präsident der Freien Universität (FU) Berlin, Dieter Lenzen, ist erwartungsgemäß gegen den Vorschlag, allein die Berliner Humboldt-Universität (HU) zur Elitehochschule auszubauen. Er hält diese Herangehensweise für „verfehlt“ und sieht HU und FU gleichermaßen qualifiziert für die Eliteförderung. Die Spitze müsse sich im Wettbewerb herausbilden. „Wir sehen uns ebenfalls in der Liga der drei besten Technischen Universitäten Deutschlands“, heißt es auch bei der Technischen Universität (TU).

Erst am Wochenende hatte sich Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in Medienberichten dafür ausgesprochen, die Humboldt-Uni unter allen deutschen Spitzenunis zur Nummer eins zu machen. „Die Hauptstadt muss als ein Kompetenzzentrum Deutschlands gesehen und ausgebaut werden“, konterte FU-Präsident Lenzen in der Berliner Morgenpost vom Montag. Berlin habe neben den Unis viele andere gute Wissenschaftseinrichtungen wie die Fachhochschulen oder die außeruniversitären Einrichtungen. Sie alle gelte es auszubauen, denn es gehe darum, Universitäten zu schaffen, die mehr leisten.

Im Kanzleramt scheint sich hingegen die Humboldt-Universität zum Lieblingsprojekt entwickelt zu haben. Kanzler Schröder will der Traditionsuni Unter den Linden bei der Förderung deutscher Universitäten mit einer dreistelligen Millionensumme den Spitzenplatz geben. Das sei nach dem Treffen Schröders mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften Ende letzter Woche bekannt geworden, hieß es.

„Wir haben eine Reihe sehr guter Universitäten in Deutschland, und dazu zählt zweifelsohne auch die Humboldt-Universität“, sagte laut Presseberichten auch Peter Ziegler vom Bundesbildungsministerium. Eine Rangliste bei der Förderung stehe allerdings noch nicht fest.

Die FU, einstige Westberliner Nummer eins, sieht nun lang gehegte Befürchtungen und Mutmaßungen wahr werden. Schon seit Mitte der 90er-Jahre hielten sich hartnäckig Gerüchte, es sei politischer Wille, die Freie Universität nach der Wiedervereinigung in den Schatten der HU zurücktreten zu lassen.

FU-Präsident Lenzen meldete sich nun mit grundsätzlicher Manöverkritik: Sinnvoller als eine Eliteuni-Diskussion sei es, die Hauptstadt insgesamt als ein Kompetenzzentrum zu betrachten. Damit werde der Blick gerichtet auf die zahlreichen hervorragenden Wissenschaftseinrichtungen wie Fachhochschulen und außeruniversitäre Institute. Berlin müsse in seiner wissenschaftlichen Gesamtheit ausgebaut werden.

Ein zweites Zentrum soll nach den Vorstellungen Lenzens in München entstehen. Dort sieht Lenzen die Top-Leistungsträger der deutschen Wissenschaft in der Technischen Universität und der Ludwig-Maximilians-Universität. Analog dazu seien in Berlin die Freie und die Humboldt-Universität als Zugpferde zu betrachten. „In diese Zentren muss das Geld fließen, das der Bund zusätzlich für Wissenschaft und Forschung ausgeben will“, forderte der FU-Präsident.

„Der Situation ist diese Debatte nicht förderlich“, sagte gestern TU-Vizepräsident Jörg Steinbach der taz. Er wies darauf hin, dass die TU Berlin durchaus zu den zehn leistungsstärksten Universitäten Deutschlands zu zählen sei. „Wir sollten in Berlin aber nicht in Konkurrenz treten und uns nicht an einem Standort gegenseitig ausspielen“, mahnte Steinbach.

Mit Blick auf die Haushaltsnotlage Berlins begrüßte Lenzen die Ankündigung des Bundes, die Wissenschaft zu unterstützen und so das Land Berlin zu entlasten. Das sei langfristig wesentlich besser, als Berlins Schuldenberg zu übernehmen.