Keine schmutzige Wäsche

Das sogenannte beschleunigte Familienverfahren sowie das neue Unterhaltsrecht stärken das Wohl der Kinder. In Berlin werden bereits rund ein Drittel aller Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten bei Trennungen schneller zum Abschluss gebracht

Seit Jahresbeginn 2008 gilt das neue Unterhaltsrecht. Demnach stehen alle Kinder bei Unterhaltsforderungen in der Rangfolge an erster Stelle. Zudem wird der Kindesunterhalt zukünftig stärker vom Existenzminimum-Bericht der Bundesregierung abhängig sein. Bislang hatte sich der Mindestunterhalt vor allem an den Nettolöhnen orientiert, was vor einem Jahr erstmals dazu führte, dass minderjährigen Kindern weniger Unterhalt zustand. Die Mindestsätze sanken um etwa 1 Prozent, was Sozialverbände scharf kritisierten. Das neue Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) soll dagegen am 1. September 2009 in Kraft treten. Die Verfahrensbeschleunigung soll bei Sorge- und Umgangsrechtsverfahren helfen, dass sich die Konfliktparteien einigen, bevor sie sich völlig miteinander zerstritten haben. Denn darunter leiden insbesondere die betroffenen Kinder. SK

VON SVEN KULKA

Kinder sind häufig die Opfer familiärer Konfliktsituationen. Vor allem, wenn sich ihre Eltern trennen oder scheiden lassen. Das neue Unterhaltsrecht sowie das sogenannte beschleunigte Familienverfahren stärken das Wohl der Kinder. „Speziell in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren soll im Interesse des Kindes die Verfahrensdauer verkürzt werden“, sagt Sabine Hufschmidt, Familienanwältin und Mediatorin.

Im Juni 2008 hat das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) den Bundesrat passiert. Lange überfällig, denn vor allem in Kindschaftssachen – etwa bei Streitigkeiten über das Sorge- oder Umgangsrecht – werden Konflikte nicht selten im gerichtlichen Verfahren geklärt.

Das Gesetz berücksichtigt nun in besonderem Maße die Belange der Kinder. Sie erhalten einen besseren Schutz und mehr Rechte im Verfahren. Am 1. September 2009 wird die Reform in Kraft treten. Die Länder erhalten auf diese Weise ein Jahr Zeit, um die notwendige Neuorganisation der gerichtlichen Abläufe vorzunehmen.

In Berlin werden bereits rund ein Drittel aller Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten bei Trennungen und Scheidungen nach dem sogenannten beschleunigten Familienverfahren gelöst. Sieben Arbeitskreise haben sich gebildet, in denen alle zwölf Jugendämter sowie Familienrichter, Rechts- und Kontaktanwälte, Verfahrenspfleger und Mitarbeiter aus Beratungsstellen vertreten sind und eng zusammenarbeiten.

Ein berlinweiter Arbeitskreis, in dem auch Mitarbeiter aus verschiedenen Senatsverwaltungen vertreten sind, kümmert sich um überregionale Fragen und Absprachen mit Behördenleitungen. Zudem arbeiten seit 2007 die beteiligten Professionen im Rahmen eines Pilotprojektes eng zusammen, um innerhalb eines Monats für die betroffenen Kinder eine tragfähige Lösung zu schaffen.

„Ziel des beschleunigten Verfahrens ist es, Lösungen zu finden, bevor die Gerichtsakte mit gegenseitigen Vorwürfen gefüllt und die Situation festgefahren ist“, sagte Christiane Abel, Familienrechtsreferentin in der Berliner Senatsjustizverwaltung – mit gutem Grund, denn bisher dauerten solche Verfahren zwischen drei und sechs Monate, eine Zeit, in der sich häufig die Streitigkeiten verfestigt haben und die Kinder einem der Elternteile entfremdet wurden.

Neben der Verfahrensverkürzung soll nun auch „die Zusammenarbeit zwischen Richtern, Jugendämtern, Rechtsanwälten, Sachverständigen, Vertretern freier Beratungsstellen sowie Verfahrenspflegern verbessert werden“, sagt Sabine Hufschmidt. Konkret bedeutet das kurze Verfahren unter anderem, dass sich die beteiligten Anwälte in ihrem Schriftverkehr kurz und sachlich fassen müssen und dass keine schmutzige Wäsche gewaschen werden darf. „Insofern soll vermieden werden, dass die Parteien sich emotional noch weiter aufreiben“, sagt Familienanwältin Hufschmidt weiter. Begleitend erhalten die beteiligten Eltern eine gemeinsame professionelle Beratung.

So gut das auch klingt, das neue Gesetz ist kein Allheilmittel: „Es gibt Fälle, in denen sich das beschleunigte Verfahren nicht oder nur eingeschränkt anbietet“, sagt Sabine Hufschmidt. Dazu gehören beispielsweise häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch oder ein Elternpaar, das sich schon völlig überworfen hat. In der praktischen Umsetzung ist hier noch einiges unklar, denn der Interpretationsspielraum ist zum Teil groß – vor allem in Verfahren, in denen auf den schriftlichen Vortrag weitgehend verzichtet wird. Hier besteht die Möglichkeit, dass solche Ausnahmen nicht sofort erkennbar sind.

Zudem beteiligen sich noch nicht alle Richter an dem verkürzten Verfahren. „Es ist also im Vorfeld in der Regel weder feststellbar, ob das Gericht diesen Weg gehen, noch ob die anwaltliche Vertretung des anderen Elternteils sich darauf einlassen wird“, erläutert Sabine Hufschmidt.

Fest steht: Das Wohl der Kinder stärkt nicht nur das beschleunigte Familienverfahren, sondern auch das neue Unterhaltsrecht, das bereits seit Jahresbeginn gilt. Nach einer Trennung der Eltern stehen die Kinder beim Unterhalt nun an erster Stelle. Mit anderen Worten: Zunächst erhalten alle Kinder ihren Unterhalt. Erst wenn noch Geld jenseits des Selbstbehalts übrig ist, bekommen auch aktuelle und frühere Ehepartner etwas.

Es profitieren vor allem drei Gruppen: viele Kinder bis fünf Jahre beispielsweise. Sie können abhängig vom Nettoeinkommen des Zahlers zwischen 6 und 43 Euro pro Monat mehr verlangen. Zudem profitieren Kinder aus den neuen Bundesländern, deren unterhaltspflichtige Väter oder Mütter weniger als 1.150 Euro netto verdienen oder die jünger als zwölf Jahre sind und einen Unterhaltsvorschuss vom Staat bekommen, weil ihre Väter nicht in der Lage sind zu zahlen. Seit Jahresbeginn bekommen sie abhängig von ihrem Alter bis zu 19 Euro pro Monat mehr.