Hat mein Schicksal einen Namen?

In den Salat kommen Kakteenscheiben und Jalapeños: María Ripolls Komödie „Tortilla Soup“ will die mexikanische Küche filmreif machen

Die Szene mit dem Stuhl, der beim Knutschen unter den Knutschenden zusammenbricht, hat man so oder ähnlich schon einmal gesehen. Diejenige, in der zwei Schwestern der dritten beim Abspülen die befreiende Wirkung des Tellerzerschmeißens nahe bringen, wirkt ebenfalls seltsam bekannt. Den Satz: „Hat mein Schicksal auch einen Namen?“ wollten wir im Kino eigentlich nicht mehr hören, und auch der alberne „brasilianische“ Akzent des besagten Schicksals wäre verzichtbar gewesen.

Die eine Schwester darf ausgiebig erfolgreich und schön sein, die andere über die Maßen verklemmt und fromm, die jüngste schließlich zur Genüge jung und dickköpfig – wenn dann noch Doris Day „Perhaps Perhaps Perhaps“ singt und die Verstrickungen der sonnigen und eigentlich gut gelaunten Latinoschwestern sich auch auf genau dieses Problem hin zuspitzen lassen (vielleicht geh ich aufs College, vielleicht aber auch nicht; vielleicht bin ich verliebt in den Baseballtrainer, vielleicht aber auch nicht; vielleicht mache ich in Europa Karriere, vielleicht bleibe ich auch da), dann ist man in der Tat geneigt, den allein erziehenden Vater der Mädels zu bedauern.

Wenn er nicht ein so begnadeter Koch wäre. Und die Szenen, in denen er in seinem Hof Kakteen für den Salat schneidet, in denen er Saucen siedet und Spanferkel brät, Maiskolben grillt und Jalapeños hackt – diese Szenen lassen die „Tortilla Soup“ am Ende doch nicht ganz so fad schmecken, wie man das zwischendurch manchmal befürchtet hat. Martin (Hector Elizondo) ist Mexikaner, Koch und Vater – und alle drei Berufe übt er mit Leidenschaft aus. Die Gerichte, die er für die Gäste in seinem Restaurant und für die Töchter zu Hause zubereitet, stammen aus der traditionellen mexikanischen Küche, ohne fremde Einflüsse. Genauso möchte er die Sprache seiner Töchter rein halten: entweder Englisch oder Spanisch, „kein Kauderwelsch“, das beide Sprachen durcheinander wirft.

Als wichtigste Regel gilt zu Hause: Alle drei Töchter, die schüchterne Letitia (Elizabeth Peña), die sexy Carmen (Jacqueline Obradors) und die quietschige Maribel (Tamara Mello) müssen zum Essen am Sonntagabend zu Hause sein.

Tragisch daran ist nur, dass keines dieser üppigen Gelage tatsächlich auch beendet wird. Immer hat eines der Familienmitglieder eine wichtige Ankündigung zu machen, die die anderen in Aufruhr versetzt und ihnen dadurch den Appetit verdirbt.

Drei erwachsene Töchter und ihr Vater versuchen, jeweils ihren Weg zu finden – die Story von María Ripolls Film ist nicht eben originell. Dass sie charmant ist, liegt vielleicht sogar weniger an den großartigen Schauspielern (in kleineren Rollen: Raquel Welch und Nikolai Kinski) als vielmehr an der unbeschreiblich verschwenderischen Hauptrolle, die das Essen spielt. Am Schluss sind wir glücklich, dass sich die mittlere Tochter doch gegen die europäische Karriere und für die lateinamerikanische Küche entscheidet. Und hungrig sind wir auch. ANNE KRAUME

„Tortilla Soup“. Regie: María Ripoll. Mit Hector Elizondo, Elizabeth Peña, Tamara Mello, Jacqueline Obradors, Raquel Welch, Nikolai Kinski u. a. USA 2001, 102 Minuten