Lebenslang für Mord an Anna Lindh gefordert

Stockholmer Staatsanwalt spricht von klarem Vorsatz bei Angeklagtem. Rechtspsychiatrisches Gutachten angeordnet

STOCKHOLM taz ■ Lebenslange Haft hat gestern die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussplädoyer in der Mordsache der schwedischen Aussenministerin Anna Lindh gefordert. Die Tat sei vorsätzlich und darauf angelegt gewesen, zum Tode zu führen. Die Einlassung des Angeklagten Mijailo Mijailovic, ihm sei von „Stimmen“ die Tat befohlen worden, wies Staatsanwältin Agneta Blidberg zurück: „Wenn Mijailovic eine Stimme gehört hat, dann war es seine eigene.“ Die Planmäßigkeit, mit welcher der Angeklagte nach der Tat alle Spuren beseitigt und sein Aussehen verändert habe, beweise, dass er nicht in einem akuten Krankheitszustand gehandelt habe.

Als mögliches Tatmotiv erwähnte Blidberg die Tatsache, dass Lindh eine Frau und führende Politikerin in einer Gesellschaft gewesen sei, von der sich Mijailovic offenbar in Stich gelassen gefühlt habe. Mijailovics Verteidiger Peter Althin forderte keinen Freispruch, da sein Mandant Lindh die fraglichen Verletzungen unstreitig beigebracht habe. Er beantragte aber in erster Linie eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge, in zweiter Linie wegen Totschlags. Mijailovic habe eine Impulsivtat begangen, habe schon deshalb keinen Vorsatz gehabt, da er sich in einem Zustand fehlender Schuldfähigkeit befunden habe: entweder eine akute schwere Psychose oder der Einfluss von Arzneimitteln, die ihm verordnet worden waren.

In diesem Zusammenhang machte Althin auch eine mangelhafte psychiatrische Versorgung für die Tat mitverantwortlich. Das Gericht folgte dem auch von der Staatsanwaltschaft anheimgestellten Antrag der Verteidigung und beschloss, dass sich Mijailovic einer rechtspsychiatrischen Untersuchung unterziehen solle. Gleichzeitig wies es die Einschätzung, die Tat sei juristisch anders als Mord oder Totschlag zu bewerten, zurück.

Das Verfahren soll nach Vorlage eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens in etwa vier Wochen fortgesetzt werden. Vor den Plädoyers wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft der Taxifahrer gehört, der Mijailovic nach der Tat nach Hause gefahren, aber sich erst am Freitag vergangener Woche gemeldet hatte. Er bestätigte im Wesentlichen die Linie der Anklage, welche Mijailovic’ „Stimmen“ und seinen angeblich krankhaften Zustand als Schutzbehauptung bewertet: Mijailovic habe sich auf der Fahrt ruhig und unauffällig verhalten, sie hätten über Frauen gesprochen. Sein Fahrgast habe einen klaren und keinen verwirrten oder abwesenden Zustand vermittelt. REINHARD WOLFF