Rot-Grün verschleudert Geld für Asphalt

Bis 2015 will die Regierung rund 32 Milliarden Euro in den Aus- und Neubau von Straßen stecken. „Pure Verschwendung“, kritisiert der BUND: Der Bundesverkehrswegeplan wimmele vor Absurditäten – zum Beispiel neuen Pisten für zehn Autos

AUS BERLIN ANNETTE JENSEN

Ob schwarz-gelbe oder rot-grüne Bundesregierung – in puncto Straßenbauinvestitionen macht das keinen Unterschied. Das ist das Ergebnis einer Recherche des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zum Bundesverkehrswegeplan, mit dessen Straßenteil sich demnächst das Parlament beschäftigen wird.

Knapp 2.000 neue Asphaltpisten stehen auf dem Wunschzettel. Bis 2015 sollen 77,5 Milliarden Euro verbaut werden, 32 Milliarden davon sind allein für Neu- und Ausbau vorgesehen. Für die Schiene sind dagegen nur 63,9 Milliarden eingeplant – und in der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung öffnet sich die Schere sogar noch viel weiter. „Schon die Unstimmigkeit in diesen fast zeitgleich vorgelegten Planungen zeigt das Wunsch- und Wolkendenken in der Verkehrspolitik“, sagte BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt gestern in Berlin.

Vor allem aber habe es die rot-grüne Bundesregierung versäumt, das Grundübel anzupacken: Nach wie vor arbeiten die für Straßen, Schienen und Wasserwege zuständigen Ministerialbürokraten unabhängig voneinander. Da gehe es nicht um die beste Lösung der Verkehrsprobleme, sondern um die Verteilung der Gelder nach Länder- und Regionalquoten. Wolle ein Bürgermeister eine Verstopfung der Innenstadt statt durch eine Bundesstraße mit einer Straßenbahn erreichen, müsste seine Gemeinde meist auf die Millionenhilfe vom Bund verzichten. Vor allem Ortsumgehungen werden nach wie vor mit weniger Lärm und Dreck für Mensch und Umwelt begründet. Doch selbst das Verkehrsministerium hält das in den meisten Fällen für eine Illusion, wie die Auswertung des BUND belegt: Bei 60 Prozent der neu geplanten Bundesstraßen schätzen die Beamten die innerörtliche Entlastungswirkung als gering oder nicht vorhanden ein. „Trotzdem zog das Bundesverkehrsministerium kaum Konsequenzen“, bilanziert der BUND-Experte Tilmann Heuser.

So wimmelt es im Bundesverkehrswegeplan nur so von Absurditäten. Zum Beispiel Höfen bei Monschau in der Eifel: Obwohl der Bundeswehrstandort in zwei Jahren schließt, soll eine Straße für den militärischen Schwerverkehr ausgebaut werden. Im bayerischen Pressath ist eine 4,9 Millionen Euro teure Ortsumgehung geplant. Die zerschneidet zwar einen Naturpark, aber was soll’s: Der Ortskern wird dafür um sage und schreibe zehn Fahrzeuge am Tag entlastet, wie ein offizielles Verkehrsgutachten prognostiziert. Völlig sinnlos ist auch ein neuer Grenzübergang bei Schwedt – nur fünf Kilometer nördlich einer bereits existierenden Oderbrücke. Obwohl Polen es ablehnt, die östliche Anschlussstrecke zu bauen und die Trasse zu 76 Prozent durch Naturschutzgebiete führt, wollen das Land Brandenburg und das Bundesverkehrsministerium dieses 25,3 Millionen Euro teure Projekt durchsetzen.

Nach wie vor große Hoffnungen setzen viele Regionen auf Autobahnen. „Außer einem Kanzlerwort kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2002 gibt es keine ausreichende Begründung für eine Autobahn von Magdeburg nach Schwerin“, so Tilmann Heuser. Die prognostizierten 16.000 Fahrzeuge am Tag könnten ohne Stauprobleme über eine Bundesstraße geleitet werden. Doch nicht nur im Osten träumen Politiker von neuen Highways: Auf Druck von Schleswig-Holstein in die Planung aufgenommen wurde die A 20 zwischen Bad Segeberg und Glückstadt. Dort soll dann irgendwann einmal eine privat finanzierte Brücke die Elbe queren. Investoren sind aus gutem Grund nicht in Sicht.