Ein ausgebufftes Schlitzohr

Der Ex-Vorsitzende des Tierschutzvereins, Wolfgang Poggendorf, muss sich vor dem Landgericht wegen Untreue und Unterschlagung verantworten. Er soll unter anderem Erbschaften an das Tierheim aufs eigene Konto eingezahlt haben

Für Wolfgang Poggendorf wird es ernst. Ab heute muss sich der ehemalige Tierheim-Chef und Vorsitzende des Hamburger Tierschutzverein (HTV) vor dem Landgericht Hamburg wegen des Vorwurfs der Untreue und Unterschlagung verantworten. Über 30 Vergehen wirft die Staatsanwaltschaft dem 69-jährigen vor, von denen jedoch nur sechs verhandelt werden. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungs-Lawine gegen ihn ein umstrittenes Immobiliengeschäft auf der Ferieninsel Sylt, wo er feudal seinen Lebensabend verbringen wollte.

Dass Poggendorf ein ausgebufftes Schlitzohr ist, ist lange bekannt. Dass er jedoch so eine steile Karriere beim HTV hinlegte und zuletzt nahezu unangefochtener Alleinherrscher war, lag auch daran, dass er es gut verstand, die Interessen des HTV zu vertreten. Immer wieder konnte er eine Steigerung der städtischen Zuschüsse durch geschicktes Taktieren durchsetzen.

So stellte sich Poggendorf nach dem tödlichen Kampfhundebissen von Wilhelmsburg im Sommer 2000 – zwei scharf gemachte Pittbull hatten den spielenden siebenjährigen Volkan zerfleischt – an die Spitze der Kritiker der im Eilverfahren verabschiedeten Kampfhundeverordnung. Danach sollten so genannte Kampfhunde weggesperrt werden.

Wenig später war es jedoch der HTV, der die umstrittene und 1,9 Millionen Mark teure Hundehalle in Harburg gegen Geld von der Stadt betrieb, um wiederum zwei Jahre später deren Schließung durchzusetzen. In dem Hunde-Gefängnis befanden sich 250 wegen ihrer Rasse als gefährlich eingestufte Köter. Für 115.000 Euro bot Poggendorf der Stadt an, das Problem zu entsorgen, indem er die Tiere in andere Tierheime in Regionen Deutschlands vermittelte, wo die Kampfhund-Hysterie noch nicht durchgeschlagen hatte.

Dass der HTV finanziell nie Probleme hatte, ist den großen Herzen der Hunde- und Katzen-LiebhaberInnen zu verdanken, die nicht nur aktuell spendenfreudig waren, sondern dem HTV ganze Erbschaften hinterließen. Und das brachte offenkundig Poggendorf in Versuchung. So kaufte er 2007 eine dem HTV als Erbschaft vermachte Eigentumswohnung in Westerland auf Sylt für läppische 130.000 Euro. Laut Anklage soll er dem HTV verschwiegen haben, dass es für die Wohnung zwei weitere Kaufinteressenten gab, die wesentlich mehr zahlen wollten. Wegen eines Streits mit einer HTV-Unterstützerin, die sich an die Presse wandte, flog der Deal auf. Poggendorf musste aufgrund des medialen Drucks des Kauf rückabwickeln. Nunmehr veräußert der HTV die Immobilie für 250.000 Euro.

Doch es ist zu spät: Die Strafverfolger sind aufmerksam geworden. Anfang August 2007 kommt es zu einer Razzia im Tierheim. Poggendorfs Konten werden beschlagnahmt und die Anklage gefertigt. So soll Poggendorf unter anderem im Juni 2002 eine Erbschaft von 100.000 Euro entgegengenommen haben, ohne das Geld dem HTV zuzuführen. Zudem soll Poggendorf im Februar 2004 vererbte Wertpapier an sich genommen haben, das Geld von insgesamt 81.000 Euro auf sein eigenes Konto eingezahlt haben. Auch einen Nachlass in Höhe von 29.000 Euro soll er im Oktober 2003 einbehalten haben. Für seine journalistische Tätigkeit beim Hausmagazin „ich & du“ ließ er sich vom HTV üppige Pauschalen bezahlen.

Da wegen der krummen Geschäfte dem HTV vom Finanzamt für 2004 bis 2006 die Gemeinnützigkeit aberkannt werden soll, entsteht dem HTV womöglich zusätzlich ein Steuerschaden von 232.000 Euro.MAGDA SCHNEIDER