Barrieren werden höher

Wohnungen sind knapp. Nicht für alle, wohl aber für die, die als „Risikogruppe“ gelten. Die Garantie vom Sozialamt, dass die Miete übernommen wird, hilft oft auch nicht weiter. Ein Beispiel

Er kann es auf dem freien Markt versuchen, aber auch da stehen die Chancen schlecht

taz ■ Für Bernhard Baumeister von der Gewoba ist der Fall klar. „Der hat hier einen solchen Aufstand gemacht, wäre ich dabei gewesen, hätte ich ihn persönlich rausgeschmissen.“ Er, das ist Martin B., ehemals drogenabhängig, heute substituiert und händeringend auf Wohnungssuche. Zwar lebt er noch in seinem Zimmer in Woltmershausen, aber die Nachbarn spielten ihm dort so übel mit, dass die Situation für ihn nicht mehr tragbar sei.

Mit einem Schreiben seiner Bearbeiterin beim Sozialamt, in dem die Übernahme der Mietkosten bis zu 330 Euro garantiert wurde, wandte er sich an die Gewoba, früher gemeinnützige Wohnungsbausgesellschaft, heute Aktiengesellschaft für Wohnen und Bauen. Mehrere Wohnungen der Gesellschaft, die ein Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle für ihn vorsortiert hatte, kamen für Martin in Frage. „Die waren zwar weit weg vom Zentrum, aber ich hätte die sofort genommen“, sagt der 42-Jährige. Beim Termin mit der Gewoba kam dann alles anders. Die Mitarbeiter hatten inzwischen eine Auskunft bei der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) eingeholt, in der Schulden von Martin B. aus einem früheren Existenzgründungsversuch verzeichnet seien. Die Gewoba habe ihm aufgrund der Schufa-Auskunft einen Mietvertag verweigert, obwohl doch durch Sozialhilfe und Erwerbsunfähigen-Rente die Miete sicher ist, „sicherer als bei den meisten“, so B. „Da hab ich mich so dermaßen beschissen gefühlt“, beschreibt er seine Reaktion. „Ich lasse mir das nicht gefallen“, habe er zur Gewoba-Mitarbeiterin gesagt. Die habe entgegnet: „Sehen Sie, das haben wir uns bei Ihnen gedacht.“

Bernhard Baumeister hat Verständnis für die Reaktion der Gewoba-Mitarbeiterin. „Wir sind nicht verpflichtet, Mieter zu nehmen“. Und: „Wir gucken uns unsere Pappenheimer genau an.“ Eine schlechte Schufa-Auskunft sei im Übrigen nicht immer, aber manchmal ein Grund, „jemanden abzuweisen“.

Für Martin B. ist mit der Weigerung der Gewoba, ihn als Mieter zu akzeptieren, seine größte Chance dahin. Da er noch eine Wohnung hat, ist er kein sogenannter Wohnungsnotstandsfall. „Was ihm zur Zeit aber auch nichts bringen würde“, so der Bremer Sozialwissenschaftler und Armutsforscher Volker Busch-Gertseema. Um deren schlechten Stand auf dem Wohnungsmarkt abzumildern, gab das Amt eine weitreichende Garantieerklärung. „Diese Garantie wird so gut wie nicht mehr ausgestellt“, weiß Busch-Geertsema. Für B. wäre die „Obdachlosigkeit“ also keine Lösung. Er hätte dann noch mehr Nachteile. Natürlich kann er es auf dem freien Wohnungsmarkt versuchen.“ Aber auch da sind die Chancen zurzeit denkbar schlecht – nicht zuletzt weil vom Sozialamt kaum noch Deponate übernommen werden“. Die Situation sei heute ähnlich wie in den späten 80er Jahren, als ebenfalls ein relativ hoher Leerstand prognostiziert wurden und gleichzeitig die Obdachlosen-Zahlen anstiegen. „Die Barrieren“, so Busch-Geertsema, „sind zurzeit so hoch wie lange nicht“. Elke Heyduck