Das Schaufenster des Ostens

Viele der über 500 Gegenstände haben seltsame Namen und gingen schnell kaputt. Das „Dokumentationszentrumfür Alltagskultur aus der DDR“ hat in Friedrichshain ein Alphabet der Ost-Warenwelt als Ausstellung eingerichtet

von STEFAN WELLGRAF

Mein Fahrrad ist nicht das schnellste. Es ist noch ein altes „Diamant“-Modell von meinem Vater. Es klappert ein bisschen, aber es ist noch in gutem Zustand. So komme ich, wenn auch mit ein bisschen Verspätung, ohne Probleme zur Pressevorführung der Ausstellung „ABC des Ostens“ im Heimatmuseum Friedrichshain in der Alten Feuerwache.

„Das Dokumentationszentrum für Alltagskultur aus der DDR“ hat für diese Ausstellung über 500 Alltagsgegenstände aus der ehemaligen Ostzone gesammelt. Jeder Buchstabe des Alphabets verweist auf eine DDR-Produktreihe. So steht U für „Unimax Junior: Küchengeräte aus Dresden“ und K für „Komet: Haushaltsgeräte aus Suhl“. Die meisten Exponate kommen aus Berlin und Brandenburg. Sie stammen alle aus dem normalen Hausgebrauch.

Die einzelnen Ausstellungsgegenstände stehen nicht für sich allein, sondern sollen jeweils weitergehende Bedeutungsebenen symbolisieren. Sie spiegeln Aspekte der Sozial- und Kulturgeschichte, der Wirtschaft, der Werbung oder des Gebrauchs wider. So wurde die „Neue Juwel“, die Zigarettensorte aus Bulgarien, als typisches Beispiel für Importe von Produkten aus Ostblockländern in die DDR ausgewählt. Die Geschichte des Colditzer Geschirrs steht für die industrielle Massenproduktion im Sozialismus. Bei der Gestaltung der Ausstellung wurde von der Annahme ausgegangen, dass sich die Bedeutung von Produkten durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren entwickelt. Neben den ökonomischen und technischen Vorgaben werden deshalb auch die Gestaltung, die Namensgebung, die Werbung und der individuelle Umgang mit den Produkten thematisiert. So entsteht eine kleine Kulturgeschichte des Alltags. Ein besonderer Reiz der Ausstellung dürfte in einer möglichen Identifikation mit den Produkten liegen. Jeder Ausstellungsgegenstand erzählt eine Geschichte, und oft ist es eine Geschichte aus dem eigenen Leben. So fand ein anwesender Journalist sein altes Sternradio aus Weißensee wieder, sein Jugendweihegeschenk. Die Radios hatten keine gute Qualität. Manchmal begann das Kassettenteil bereits nach einer Woche zu leiern. Doch vielleicht liegt gerade darin der Charme und die Popularität von Ostprodukten begündet.

Viele der ausgestellten Gegenstände haben seltsame Namen, sehen lustig aus und gingen schnell kaputt. Auch die DDR-Werbung wirkt ein bisschen amateurhaft. So warb die VEB Filmfabrik Wolfen mit Fotomotiven aus dem für DDR-Bürger unerreichbaren Jordanien. Die etwas schrägen Produktnamen wurden meist aus Namensverknüpfungen abgeleitet. So bekam „Wolprylon“, das „wollige Wunder der Chemie“, seinen Namen von den Produktionsorten Wolfen und Premnitz.

Die mittags im Friedrichshain spazierenden DDR-Rentner schauten neugierig in die Ausstellungsfenster und staunten, dass ihre Wohnzimmereinrichtung jetzt schon im Museum ist. Einer von ihnen kam gleich mit seiner alten Schmalspurkamera zurück. Auch die in der DDR begehrten Westprodukte sind ausgestellt, zum Beispiel Gummibären, Smarties, Eduscho und Kölnisch Wasser. Und plötzlich steht sogar mein altes „Diamant“-Fahrrad vor mir. Und daneben ein großes Foto von Täve Schur. Zwei Friedensfahrtmonteure aus den 50ern schwärmen von den fahrradtechnischen Errungenschaften der sozialistischen Produktion. So stolz wie einst Täve fahre ich anschließend mit meinem „Diamant“ zurück zur Redaktion. Jetzt werde ich es nie mehr weggeben.