Zinsen für Ostdeutschland mit Allahs Segen

Das finanzschwache Sachsen-Anhalt will seine Kassen durch einen fragwürdigen Kredit nach Regeln des Korans füllen

DRESDEN taz ■ „Sukuk Bonds“ oder „Islamic Bonds“ sind für Axel Gühl, Abteilungsleiter im Sachsen-Anhaltischen Finanzministerium, keine Fremdworte. Gühl war Schatzmeister der von Exbundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) geleiteten „Arabisch-Deutschen Vereinigung für Handel und Industrie“. Er kennt sich mit Geldgeschäften im arabischen Raum aus. Von dort hofft er dem auch nach dem konservativen Regierungswechsel 2002 arm gebliebenen Land einen ungewöhnlichen 100-Millionen-Euro-Kredit zu verschaffen: durch eine in Europa bislang einmalige öffentliche Anleihe nach islamischem Recht.

Geht es um großes Geld, lässt sich selbst der gestrenge Koran gefügig interpretieren. Dessen zweite Sure besagt ab Vers 276 nämlich, dass Allah zwar das Verkaufen erlaubt, den „Zins“ oder den „Wucher“ – je nach Übersetzung – aber verboten habe. Wer jedoch den Wucher nicht fahren lasse, der vernimmt „Krieg von Allah und seinem Gesandten“.

Das klassische abendländische Kreditgeschäft eignet sich also nicht für die Mehrung von Ölmilliarden. Nach gängiger Koraninterpretation muss eine wirtschaftliche Leistung vorliegen. Mit einem kleinen Gedankensprung lassen sich aber Mieteinnahmen oder Leasingraten an die Stelle ordinärer Zinsen setzen. Auf diesem Trick beruht ein Finanzmarkt, der nach Expertenmeinung seit einem Jahrzehnt mit zweistelligen Raten wächst und derzeit rund 250 Milliarden Euro umfassen soll. Davon hoffen auch die Beamten im Ministerium des Wirtschaftsprofessors Karl-Heinz Paqué (FDP) zu profitieren.

Konkret sieht das Verfahren so aus: Die Nutzungsrechte für Landesimmobilien werden an einen Treuhänder übergeben. In diesem Fall soll dafür eine Stiftung in den Niederlanden gegründet werden, um die einheimischen Gewerbe- und Körperschaftssteuern zu umgehen. Diese Stiftung steht als eine Art Zinsgeldwäscheinstitut zwischen dem Land und den eigentlichen Geldgebern irgendwo in der islamischen Welt. Sie zahlt einerseits dem Land für diese auf wahrscheinlich 30 Jahre befristete Überlassung die 100 Millionen Euro aus, die sie wiederum von den Scheichs erhalten hat.

Die sind während der Laufzeit faktisch Eigentümer der Immobilien, auch wenn der Vertrag es anders bestimmen sollte. Andererseits nimmt sie die Ratenzahlungen für die nunmehr vom Land zurückgeleasten Gebäude entgegen und leitet sie den Geldgebern als Quasi-Zins zu. Insoweit besteht eine Ähnlichkeit zum kommunal vielfach praktizierten Cross-Border-Leasing.

Das Finanzministerium verspricht sich von dem Deal neben Bekanntheit und Imagegewinn günstigere Zinskonditionen als bei einem herkömmlichen Kredit. Sprecher Detlef Thiel räumt allerdings ein, dass die Kosten für den ersten Coup dieser Art diesen Vorteil auffressen könnten. „Im Prinzip haben wir nichts gegen dieses Geschäft zwischen vermeintlich verfeindeten Kulturen“, sagt Wulff Gallert, parlamentarische Geschäftsführer der PDS. Doch gefällt ihm die Stiftungsgründung in den Niederlanden nicht. Mit ihr werde „der Staat zum Steuerflüchtling“.

In der SPD-Landtagsfraktion sind die Reaktionen verschieden. Sprecher Theo Struhkamp hält das Projekt für „nicht ganz abwegig“ – und verweist auf die Verdienste Gühls um ein originelles internationales Kreditmanagement. Der Abgeordnete Thomas Felke hingegen bleibt skeptisch hinsichtlich der angeblichen Vorteile und des Aufwands für Nutzung und Bauunterhalt der Gebäude.

Ministeriumsinterne Differenzen mit dem Referat Liegenschaften sollen inzwischen aber ausgeräumt sein. So könnte der Vertrag im Frühjahr zustande kommen. Dafür sollte eine weitere Empfehlung aus derselben Sure des Korans gelten: „Und nehmt Zeugen bei euern Geschäften … Wenn jemand in Zahlungsschwierigkeit ist, so übt Nachsicht, bis es ihm leichtfällt!“ MICHAEL BARTSCH