: Ein Getränk für Zeremonien
Tee ist das weltweit am häufigsten getrunkene Lebensmittel. Es ist nicht nur Massenware, sondern auch Genussmittel. Zu Teekultur gehören Ruhe und Muße, aber mit Abwarten allein ist es nicht getan
von LARS KLAASSEN
„Latte Macchiato ist doch kalter Kaffee“, sagt Tom und gießt heißes Wasser auf den Senchatee. Ein kurzer Stopp in der Espressobar oder ein schneller „Coffee-to-go“ sind hip und passen gut in die Alltagshektik. „Tee ist ein Genussmittel“ – Ruhe und Muße gehören für Tom beim Teetrinken dazu.
Doch das Getränk ist auch als Massenware ganz oben in den Charts: Neben Wasser ist Tee das am häufigsten getrunkene Lebensmittel weltweit. In deutschen Tassen ist Kaffee noch öfter anzutreffen. Aber der Vorsprung wird kleiner.
„Wer das Leben mit Herz und Verstand genießt, ist prädestinierter Teeliebhaber“, erzählt Armin Wiegner, Inhaber des Fachgeschäfts TEE-O-D’OR. Genuss mit Herz und Verstand hat eine lange und vielfältige Tradition: Das in unterschiedlichen Kulturen seit Jahrtausenden bekannte Getränk stammt ursprünglich aus China. Bis ins 19. Jahrhundert war der Camelia sinensis genannte Strauch die Ursprungspflanze aller Tees. 1823 wurde in Indien eine verwandte zweite Teepflanze entdeckt, die Camelia assamica. Aus den beiden Urformen wurden in zunehmendem Maße Hybriden gezüchtet, um die guten Eigenschaften beider Pflanzen zu vereinen: Ertrag und Aroma.
Früchte- und Rooibostee sind, streng genommen, gar keine Tees, weil sie auf anderen Pflanzen basieren. Aus den Teepflanzen wird grüner, schwarzer und Oolongtee hergestellt. Diese Sorten unterscheiden sich durch die Fermentation, die natürliche Gärung des Pflanzenzellsaftes. Wiegner: „Bei dieser Oxidationsreaktion verbinden sich nach dem Pflücken organische Bestandteile des Zellsaftes mit dem Luftsauerstoff.“ Sie verfärben sich vom Rand langsam zum Kern. Das zuvor grüne Blatt wird zunächst kupferrot und später dunkelbraun bis violett.
Die Herstellungsverfahren der verschiedenen Teesorten sind vielfältig, sie basieren auf drei Grundprinzipien: Für grünen, nichtfermentierten Tee werden die Blätter gedämpft oder geröstet. Durch das kurzzeitige Erhitzen wird die Fermentation unterbunden. Meist werden die Blätter anschließend in einer großen rotierenden Trommel durch einem Heißluftstrom getrocknet. Schwarzer Tee hingegen wird nach kurzem Vorwelken gerollt und danach zur Fermentation ausgebreitet. Abschließend werden die Blätter in Rotationstrommeln getrocknet.
Der Ausdruck „halbfermentiert“ ist etwas irreführend: Manche Oolongs sind nur ganz leicht – etwa zu 12 Prozent – fermentiert, andere bis zu 50 Prozent.
Bislang wurde in Europa vor allem schwarzer Tee getrunken. In den vergangenen Jahren hat grüner Tee jedoch viele neue Freunde gefunden. Wiegner: „Abgesehen vom Geschmack ist er auch für seine positiven Eigenschaften bekannt geworden.“ Grüner Tee enthält Vitamine und wenig Gerbstoffe. Darüber hinaus lässt er sich mehrfach aufgießen, solange die Blätter noch warm sind.
Egal ob schwarz, grün oder halbfermentiert: „Aus welchem Anbaugebiet der Tee stammt, ist entscheidend für den Geschmack“, erläutert Wiegner. Liebhaber schmecken, ob sie etwa einen feinherben Ceylon oder einen hellen, duftigen Darjeeling vor sich haben. Ob man seinen Tee gerne mit Milch oder Zucker trinkt, spielt bereits bei der Auswahl der Sorte eine Rolle: „Assamtees etwa erhalten damit ein herrliches, malzig-würziges Aroma“, weiß Wiegner.
In erster Linie prägen Klima, Boden und Verarbeitung den Tee. Manchmal machen sich auch gesellschaftliche Einflüsse bemerkbar: „Aus China kommen wieder mehr hochwertige und differenzierte Tees“, berichtet Christoph Lipinski, Inhaber des Teehauses. „Ansätze eines politischen Wandels lassen dort alte Traditionen wieder aufleben, die nach der Kulturrevolution verloren gegangen waren.“
Tee wird häufig gar nicht in Reinform genossen: „Englische“ und „Ostfriesische Mischungen“ sind altbekannt. Aromatisierter Tee mit Blüten, Gewürzen, Früchten und verschiedenen Essenzen hat in Asien eine lange Tradition. Teeliebhaber, die auf Qualität Wert legen, müssen keine Puristen sein, manchmal macht’s die Mischung.
Die so genannte Teekampagne beschränkt sich im Sortiment dennoch radikal auf Darjeeling. Das Konzept: große Mengen zu kleinen Preisen. „Dabei setzen wir auf Qualität“, betont Kathrin Gassert von der Teekampagne. Die Kampagne war Vorreiterin der Rückstandskontrollen und lässt ihre Ware von unabhängigen Instituten prüfen.
„Bestellen Sie jetzt ihren Jahresvorrat“, wirbt die Teekampagne. Doch genau das tun Teeliebhaber nicht gerne. „Man sollte sich Tee für die nächsten vier bis sechs Wochen kaufen“, rät Wiegner.
Die Blätter sind zwar problemlos länger haltbar, verlieren danach aber an Frische und somit Qualität. Ruhe und Muße gehören zur Teekultur zwar dazu. Aber mit dem Abwarten sollte man es beim Teetrinken trotzdem nicht übertreiben.