Neues aus dem Süden?

Die Kassava-Wurzel ist eine nährreiche Nutzpflanze und weltweit das viertwichtigste Grundnahrungsmittel. Die nigerianische Regierung will sie künftig exportieren

Frisch geerntet ist sie dreckig und nicht sehr appetitlich – man sieht es der Kassava-Wurzel wirklich nicht an, was in ihr steckt: Für eine halbe Milliarde Menschen in den Tropen und Subtropen ist die nährreiche Nutzpflanze nach Reis, Weizen und Mais das viertwichtigste Grundnahrungsmittel. Insbesondere für ärmere Bevölkerungsschichten, die das Kassava-Mehl zu Brei oder Brot verarbeiten, die jungen Blätter der Pflanze als Gemüsebeilage genießen oder die Wurzel an Tiere verfüttern. Aber egal wo die Wurzel verzehrt wird: Sie muss aufwändig entgiftet werden, denn sie enthält das schädliche Linamarin, das Blausäure freisetzt. Weiterverarbeitet wandert Kassava als Stärke in Nudeln und Fertiggerichte oder in den gemeinen Tapetenkleister.

Die bedeutendsten Kassava-Produzenten sind Nigeria, Brasilien, Thailand, Kongo und Indonesien. Auf alle fünf Länder entfallen gut 60 Prozent der weltweiten Produktion. Allein in Nigeria werden pro Jahr 34 Millionen Tonnen geerntet, aber es fällt kein Überschuss ab für den Export. Das will die nigerianische Regierung ändern. Kassava soll nicht mehr nur die kleinbäuerliche Familie ernähren, sondern als ein im Land weiterverarbeitetes Exportgut die heimische Wirtschaft ankurbeln. Das Planziel des nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo lautet: Statt zehn Tonnen sollen 40 bis 120 Tonnen Kassava pro Hektar produziert werden. „Sinnvolles Ziel, aber unrealistisch“, glaubt Siaka Momoh, Experte des nigerianischen Wirtschaftsmagazins Businessday, „noch fehlen uns nahezu alle nötigen Voraussetzungen für einen Erfolg.“ Zum einen liegt die Kassava-Produktion fest in der Hand von Kleinbauern und ist ungeeignet für einen erhöhten industriellen Bedarf. Zum andern fehlt es an organisierten Markt- und Vertriebsstrukturen.

Ende November 2002 organisierte das Internationale Institut für Tropenlandwirtschaft (IITA) im südnigerianischen Idaban, das schon seit den 80er-Jahren die Kassava-Wurzel erforscht, eine fünftägige Konferenz mit 250 Teilnehmern aus aller Welt, um über die Chancen einer profitableren Nutzung der Nutzpflanze zu diskutieren. Taye Babaleye, Sprecher des IITA, gab sich zuversichtlich: „In den letzten drei Jahrzehnten haben wir durch unsere Forschungen erfolgreich die Kassava-Produktion in Afrika verbessert und zur Ernährungssicherheit der Bevölkerung beigetragen.“ Es sei eine bessere Option, ein traditionelles Agrarerzeugnis wie Kassava großflächig anzubauen und zu vermarkten, als sich auf Produkte zu konzentrieren, die für Afrika von geringer Bedeutung sind. Klarer Vorteil des Knollengewächses gegenüber allen Getreidesorten: Es hält ausbleibenden Regen aus, wächst das ganze Jahr über und gedeiht auch auf minderwertigen Böden gut.

VERENA MÖRATH