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: Stabhochspringer gegen mimosenhafte Latte

Aufstand der Lobingers

Eigentlich sollte der Große Preis von Australien in Melbourne das sportliche Highlight dieses Wochenendes werden. Die Formel 1 startet in die WM-Saison 2003. Mit neuen Regeln, die vor allem Michael Schumacher das Siegen schwerer machen sollen. Ganz Schumacher-Deutschland bangt und fragt sich besorgt: Kann unser Schumi mit diesen Regeln noch einmal die WM so langweilig machen wie in den vergangenen Jahren?

Wie gesagt: eigentlich. Denn eine Rebellion ungekannten Ausmaßes droht die gesamte Sportwelt unter sich zu begraben. Die Ersten haben schon angefangen, ihre Schumi-Plakate von den Wänden zu reißen. Deutschland macht Platz. Für ihn: Tim Lobinger, seit Hotte Buchholz’ Tod Deutschlands letzter Halbstarker. Tim Lobinger ist Deutschlands gefährlichster Stabhochspringer – ein menschlicher Vulkan. Jetzt hat er erneut sein – selbstverständlich ärmelloses – T-Shirt zerrissen und lässt die Muskeln spielen. Der Grund: Die neuen Regeln im Stabhochspringen schmecken ihm ganz und gar nicht. Während sich ein Michael Schumacher brav hinters Lenkrad seines Ferrari setzt und jede ihn benachteiligende Regeländerung mit subalterner Dumpfbackigkeit hinnimmt, schreibt Tim Lobinger einen Brief an den Leichtathletik-Weltverband. Zur Sicherheit mit dabei: rund 20 weitere Weltklasse-Stabhochspringer und der deutsche Manager Marc Osenberg.

Die neuen Regeln gehen auch wirklich zu weit. Statt 90 haben die Athleten jetzt nur noch 60 Sekunden Zeit, sich auf den Sprung vorzubereiten. Die Sprunglatte zeigt sich an den Enden nicht mehr quadratisch, sondern grinst die Springer halbrund (!!!) an. Und die Fläche, auf der die Latte liegt, wurde geradezu einen Kopf kürzer gemacht. Statt 75 misst sie nur noch 55 Millimeter. Die Folge: Die Latte verhält sich geradezu mimosenhaft und fällt einfach runter, wenn man sie berührt, anstatt eine halbe Stunde auf und ab zu hoppeln und dann doch liegen zu bleiben. Skandal!!!

Lobinger & Co. fordern deshalb die Rückkehr zu den alten Bestimmungen – oder wenigstens neue Rekordlisten. Alles auf null, damit man sich wieder von 3,60 m nach oben tasten kann und jedes Mal eine fette Weltrekordprämie einsacken darf – wie einstmals Bubka. Überhaupt riecht das Ganze nach einer üblen Verschwörung. Hinter der nur ein Mann stecken kann: ebenjener Sergej Bubka, der seit neun Jahren mit 6,14 Metern den Weltrekord im Stabhochsprung hält. Und er würde ihn wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit halten, wenn da nicht Tim Löwenherz wäre und diesem verheerenden Regelwahnwitz Einhalt gebieten würde. MICHAEL REINHARD