Enteignung umstritten

Anhörung zum Gesetz zur Airbus-Pistenverlängerung. BUND-Anwalt warnt vor einem Präzedenzfall

Das geplante Enteignungsgesetz zugunsten des Airbus-Werksflugplatzes in Finkenwerder könnte einen Präzedenzfall schaffen, der Enteignungen zum Zwecke der Wirtschaftsförderung möglich macht. „Ich glaube, dass das um sich greifen kann“, so Rüdiger Nebelsieck, Rechtsanwalt des BUND, gestern Abend bei einer Anhörung der Bürgerschaft. Sollten andere Branchen ein ähnliches Gesetz fordern, sehe er „erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten“.

Wesentlich für die juristische Debatte ist das so genannte Boxberg-Urteil, in dem das Bundesverfassungsgericht 1987 spezifizierte, unter welchen Voraussetzungen der Staat Grundstücke enteignen darf, wenn er damit Ziele verfolgt, die nur mittelbar dem Gemeinwohl dienen. Der Berliner Rechtsanwalt Siegfried de Witt, der jenes Urteil erstritten hat, erklärte vor dem Rechts- und Wirtschaftsausschuss, der Gesetzentwurf des Hamburger Senats werde diesen Forderungen gerecht. Unterstellt, dass Airbus tatsächlich Arbeitsplätze schafft, konkretisiere das Gesetz das angestrebte Gemeinwohl „hinreichend konkret“. Auch der Vertrag, den die Stadt abschließen muss, sei genau genug beschrieben.

Nebelsieck bezweifelte dies. Der Vertrag verpflichte Airbus lediglich, die Voraussetzungen für die Produktion von Großraumflugzeugen zu schaffen – nicht, diese wirklich zu bauen. Dass Airbus bei Nichterfüllung des Vertrages den entstandenen volkswirtschaftlichen Schaden ersetzen müsse, sei kaum durchzusetzen. Den Zweck „Stärkung des Luftfahrtindustriestandortes“ hält Nebelsieck für einen „Freibrief für zukünftige Werkserweiterungen“. Er ermögliche es, die Wünsche der Airbus-Kunden zum Maßstab für einen Ausbau des Flugplatzes zu machen.

Dabei rechtfertigten die derzeitigen Kundenwünsche noch nicht einmal die jetzt beantragte zusätzliche Verlängerung der Piste. Denn von der Frachtversion des Riesenflugzeuges A380 sollen derzeit nur zwei von Finkenwerder ausgeliefert werden. Dafür zu enteignen, sei unverhältnismäßig.

Wie auf Nachfrage der GAL bekannt wurde, haben die drei von den Mehrheitsfraktionen aufgebotenen Sachverständigen an dem Gesetzentwurf mitgewirkt.Gernot Knödler