Unheimlich geheim

Der Hamburger Prozess gegen Abdelghani Mzoudi wird erneut durch Eingriffe der Geheimdienste gesteuert

Es war nicht wirklich überraschend: Irgendwann würde sich das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) nicht mehr dem Druck der US- und bundesdeutschen Ministerien sowie deren Geheimdiensten entziehen können. Und so hat das Gericht gestern erklärt, den für heute erwarteten Freispruch für den Angeklagten Abdelghani Mzoudi im so genannten „Terrorhelfer“-Verfahren nicht zu verkünden. Stattdessen solle die Aussage eines weiteren Geheimdienstmannes – angeblich eines iranischen Agenten – bewertet werden. Unter Prozessbeobachtern gab es schon lange süffisante Spekulationen, ob ein Freispruch wegen Rücksichtnahme auf die guten Beziehungen zu den USA noch abgewendet werden könnte.

Den neuen Zeugen hat die Bundesanwaltschaft (BAW) aus dem Hut gezaubert und zugleich beantragt, den Prozess für 30 Tage zu unterbrechen – wegen einer „neuen Sachlage“. Für Verteidigerin Gül Pinar allerdings ist der neue Zeuge „äußerst dubios“. Und zudem wird er – wie der von US-Behörden in Isolation gehaltene Ramzi Binalshibh – nie präsent sein. Denn dem geheimen Mann ist „totale Anonymität“ von den Geheimdiensten zusagt worden.

Stattdessen sollen heute zwei BKA-Männer und ein BAW-Anwalt aussagen, was der Zeuge eigentlich zu sagen hätte. Der will nämlich darüber Kenntnisse haben, dass Mzoudi in die Attentate des 11. September entgegen den Angaben von Binalshibh eingebettet war – jedoch jetzt schon längst mit deutschen Geheimdiensten zusammenarbeitet und nach seiner überraschenden Haftentlassung am 11. Dezember vorigen Jahres nun selbst auf der Todesliste des al-Qaida-Netzwerkes stehen würde.

Eine Situation, die die Strafprozessordnung in Frage stellt. Das aber wäre nicht das erste Mal in den Hamburger Verfahren um die Aufklärung des 11. September. Sabrina Lochte