„Weisung von höchster Stelle“

Setzt der Innensenator selbsttätig Ärzte ein, um missliebige Gutachten überprüfen zu lassen? Ausgerechnet am Kirchenschützling John Agbolete soll nun offenbar ein Exempel statuiert werden

Bremen taz ■ Ganz unspektakulär bestätigte Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) gestern vor der Innendeputation, dass er seiner Ankündigung von einem härteren Vorgehen gegen Flüchtinge nun offenbar Taten folgen lässt. Hätten die Grünen nicht nachgefragt – vielleicht wäre noch gar nicht bekannt, dass das Innenressort neuerdings selbst veranlasst, welche Ärzte Flüchtlinge medizinisch begutachten – und welche nicht.

Darum scheint es im Fall des Togoers John Agbolete zu gehen. Der 39-Jährige, der monatelang bei der Bremischen Evangelischen Kirche Schutz vor Abschiebung im Kirchenasyl gefunden hatte, bekam statt einer verlängerten Duldung im Ausländeramt vergangene Woche die Weisung, sich einem pensionierten Bremer Psychiater vorzustellen – damit dieser ein von Agboletes Arzt ausgestelltes Gutachten überprüfe, wonach Agbolete aus Krankheitsgründen derzeit nicht ausreisen kann.

Dieses Vorgehen ist ein Novum, hebelt sie doch die bisherige Zuständigkeit des Bremer Gesundheitsamtes aus.

Entsprechend reagiert der Leiter des Gesundheitsamtes, Jochen Zenker. „Ich habe heute durch einen Brief von der Sache erfahren“, sagt er. Da er die Angelegenheit „für bedeutsam genug“ halte, habe er Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) davon in Kenntnis gesetzt. Er sei bislang davon ausgegangen, dass die über Jahre gültige zwischen den Ressorts vereinbarte Regelung, wonach derartige medizinische Fachgutachten in die Verantwortung des Gesundheitsamtes fallen, geändert werde.

Davon geht derzeit auch das Gesundheitsressort aus. Dessen Sprecherin reagiert auf die Anfrage der taz zum Fall Agbolete verwundert. „Wir sind überrascht und werden der Sache im gespräch mit dem Innensenator nachgehen“, sagt sie.

„Niemand muss sich hier wundern“, versucht unterdessen der Sprecher des Innenressorts, Markus Beyer, den Ball flach zu halten. Innensenator Röwekamp habe lediglich einen von mehreren möglichen Wegen eingeschlagen, um ein ärztliches Gutachten an geeigneter Stelle prüfen zu lassen. Der ausgewählte Mediziner stehe auf der Gutachterliste des Sozialgerichtes. Mithin bewege sich das Vorgehen des Innenressorts „ganz im legalen Rahmen“. Andere Städte und Länder gingen ähnlich vor. Nichts Besonderes also.

Der Psychiater selbst bestätigt seine vorgesehene Gutachtertätigkeit, will aber „in einem laufenden Verfahren“ keine Stellungnahme dazu abgeben, welche Erfahrungen er im Bereich der Reisegutachten von Flüchtlingen hat.

Im Bremer Verein für Ökumenische Ausländerarbeit ist man entsetzt über diese Wende – und ordnet sie politisch früheren Aussagen von Innensenator Röwekamp zu. Dieser war erst im vergangenen September mit Klagen über verzögerte Abschiebungen an die Öffentlichkeit gegangen und hatte „gesundheitliche Prüfungen“ durch den Sozialpsychiatrischen Dienst als ärgerliches Abschiebehindernis bezeichnet, dem er etwas entgegensetzen wolle. Dabei hatte er Gespräche mit „betroffenen Stellen“ angekündigt, „in welchem Umfang solche ärztlichen Stellungnahmen erforderlich“ sind. Die haben offenbar noch nicht stattgefunden. „Aber nun soll an John Agbolete wohl ein Exempel statuiert werden“, sagt Britta Ritsch Menke vom ökumenischen Verein.

Die Pastorin, die selbst jahrelang in Togo gelebt hat, ist verärgert. „Beim Ausländeramt hieß es, dies sei eine Weisung von höchster Stelle“, berichtet sie. Dabei sei ihr Schützling ein Folteropfer, das nach der Isolation im monatelangen Kirchenasyl schwer angeschlagen war. Dem sei ein Gutachter bereits gefolgt.

Die Verlobte John Agboletes, selbst Ärztin, hat sich nun an die Bremer Ärztekammer gewendet. Als „persönlich und standespolitisch Betroffene“ fordert sie eine Stellungnahme der Vereinigung, die bislang das Gesundheitsamt als neutrale Gutachterstelle befürwortete. Es dürfe nicht geschehen, dass medizinische Gutachten zum Spielball politischer Interessen würden, schreibt sie.Eva Rhode