Bushs verbaler Präventivschlag

Am Tag vor dem neuesten Blix-Bericht an den UN-Sicherheitsrat bereitet der US-Präsident die amerikanische Öffentlichkeit auf einen baldigen Krieg vor

„Wenn es um unsere Sicherheit geht, brauchen wir keine Erlaubnis“

aus Washington MICHAEL STRECK

Der März war bislang kein erfolgreicher Monat für US-Präsident George W. Bush. Rückschläge gab es an allen Fronten. International droht den USA in der Irakkrise die Isolation. Auch zu Hause gewannen die Kritiker Oberwasser und warfen der eigenen Regierung fehlgeschlagene Diplomatie vor.

Am Vorabend der entscheidenden Verhandlungsrunde im UN-Sicherheitsrat und der Vorlage des neuen Blix-Reports hat nun Bush die Flucht nach vorn angetreten. In einer überraschend angekündigten Pressekonferenz direkt aus dem Weißen Haus schwor der Präsident sein Volk auf einen Krieg ein.

Bush präsentierte seine bekannten Argumente, jedoch auffallend eindringlich, unbeirrt, geradezu stoisch, und ließ auch bei Nachfragen keinen Zweifel daran, von der Richtigkeit seiner Position überzeugt zu sein. Es schien ihn auf Nachfrage auch nicht zu irritieren, dass in den Augen vieler Menschen weltweit nicht mehr Saddam Hussein, sondern er die eigentliche Gefahr darstelle. Er zog sich immer wieder auf die einfachen Begündungsmuster zurück, die sich durch seine kurze Rede und späteren Antworten zog: Hussein ist eine Bedrohung für die USA und es sei seine Verpflichtung als Präsident, das Land mit allen Mitteln zu schützen, notfalls ohne internationale Unterstützung. „Wenn es um unsere Sicherheit geht, brauchen wir von niemandem eine Erlaubnis.“

Ohne den konkreten Befund der UN-Waffeninspektoren abzuwarten und in der Vorahnung, dieser werde zu „irakfreundlich“ ausfallen, stellte Bush klar, dass Saddam Hussein nicht abrüste. „Das ist Tatsache und kann nicht bestritten werden.“ Er warf Bagdad sogar vor, die gleichen Raketen, die öffentlichkeitswirksam verschrottet würden, geheim weiter zu produzieren. „Ich wünschte, Hussein hätte abgerüstet. Ich hoffe immer noch, Hussein wird abrüsten“, sagte er. Doch die Inspektoren bräuchten nicht mehr Zeit, sondern volle Kooperation. Bush sprach vom „Ausräuchern der Terroristen“ und vom „Krebsgeschwür“ im Irak. Getreu seinem alten Motto: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, forderte er den Rest der Welt auf, seinem Kurs zu folgen. „Es ist Zeit, dass die andern Länder ihre Karten auf den Tisch legen. Wir wollen sehen, dass die Leute aufstehen und sagen, was ihre Meinung zu Saddam Hussein und zum UN-Sicherheitsrat ist.“ Die USA würden daher auf jeden Fall kommende Woche eine neue Resolution zur Abstimmung bringen.

In Bushs überwiegend unnachgiebige Rhetorik mischte sich neben versöhnlichen Tönen in Richtung der Kriegsskeptiker in Europa – „sie sind noch immer unsere Freunde“ – immer wieder seine religiöse Haltung: „Ich bete für Weisheit und Stärke.“ – „Ich mag keinen Krieg. Ich bete für Frieden“, sagte der bekennende Christ, dessen eigene Methodistische Kirche sich den Kriegsgegnern angeschlossen hat.

Unbeindruckt von Bushs Auftreten zeigten sich die Demokraten. Der Senator und Außenpolitik-Experte im Kongress, Joseph Biden, mahnte, dass die Zeit für eine Invasion noch nicht reif sei: „Wir brauchen mehr Verbündete.“ Kurz zuvor hatten die beiden Oppositionsführer im Senat und im Abgeordnetenhaus in ungewohntem Schulterschluss in die gleiche Kerbe geschlagen.

Tom Daschle und Nancy Pelosi warfen dem Weißen Haus vor, die USA stärker denn je isoliert zu haben und überstürzt in den Krieg ziehen, ohne die dramatischen Konsequenzen bedacht zu haben. Sie kritisieren zudem, dass sich Bush auf den falschen Feind eingeschossen habe. Nordkorea stelle eine viel größere Bedrohung als der Irak dar.