US-WAHLKAMPF: DEMOKRATEN HOLEN BEI DER AUSSENPOLITIK AUF
: Bush zeigt keine Verunsicherung

US-Präsident Bushs Rede an die Nation war seine erste große Wahlkampfrede, eine Kampfansage an die Opposition und mit Bedacht auf den Tag nach den ersten Vorwahlen zur Nominierung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten gelegt. Wer auch immer Bushs zukünftiger Herausforderer sein wird: auf einen durch den Irakkrieg verunsicherten Amtsinhaber wird er nicht stoßen. Der Präsident hat klargestellt, dass er keinen Zentimeter von seinen radikal-konservativen Positionen abweichen wird und die Demokraten für Weichlinge hält, die die Terroristen vergeblich mit Gesetzesbüchern jagen – und stellt sie auch so dar. Grundsätzlich teilt eine Mehrheit der US-Amerikaner diese Kritik.

Den Demokraten traut sie jedoch eher zu, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen. Da Wahlen in den USA gewöhnlich an der Heimatfront gewonnen werden, ergibt sich somit für Bush ein Dilemma: Krieg ist zwar gut für sein Image, er muss in der Öffentlichkeit jedoch überzeugend darstellen, dass er die innenpolitischen Themen nicht zugunsten des Kampfes gegen den Terror und der geopolitischen Neuordnungsfantasien im Nahen Osten vernachlässigt.

In seiner Rede versuchte er daher, Innen- und Außenpolitik gleich zu gewichten. Und doch beschäftigte er sich länger als erwartet mit Terror, Irak und Afghanistan. Fürchten Bushs Wahlkampfstrategen einen Herausforderer, der ihm in Sachen nationale Sicherheit Paroli bieten kann? Der überraschende Sieg von Vietnam-Veteran John Kerry bei den Vorwahlen der Demokraten in Iowa und der Aufstieg von Ex-Nato-General Wesley Clark in die demokratische Prominenz zeigen zumindest, dass die Republikaner keine ewige Vormachtstellung in der Sicherheitspolitik besitzen müssen. TV-Bilder zeigten einen weinenden Vietnam-Kämpfer, der sich bei Kerry für die Rettung seines Lebens bedankt – sie bewirkten in Iowa ein Wahlkampfwunder. Ist Bush schon innenpolitisch kein „geborener Gewinner“, reicht es nun für einen Sieg an der Wahlurne auch nicht mehr, ihn als glorreichen Feldherren zu porträtieren. MICHAEL STRECK