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: Waffeninspekteur gibt Bush eine Chance zum Frieden

Kann sein, dass UNO-Chefinspektor Hans Blix der Einzige ist, der seine Berichte noch so gestaltet, als ginge es dabei um Krieg und Frieden, um mögliche Massenvernichtungswaffen in den Händen des irakischen Regimes und um deren Zerstörung. Er muss das tun, es ist sein Job. Und er weiß, dass jedes seiner Worte argumentative Munition für die eine oder die andere Seite ist, die sich und ihre Haltung zu dem Konflikt beide längst festgelegt haben.

 Dabei sind Blix und das, was er sagt, für die Europäer – inklusive Tony Blair – deutlich wichtiger als für die USA. Anders als irgendwo sonst ist dort die Mehrheit der Bevölkerung aufgrund von Falschmeldungen und täglicher Wiederholung unbewiesener Behauptungen inzwischen der Meinung, das irakische Regime sei eine unmittelbare Bedrohung. Und dass, wie es Präsident Bush formulierte, die USA nicht um Erlaubnis fragen müssen, um sich selbst zu verteidigen, wird niemand bestreiten. Dazu braucht es den Sicherheitsrat wirklich nicht.

 Gegenüber dieser bewusst aufgebauten Scheinwelt sind die Blix-Berichte mit ihren nachprüfbaren Darstellungen erfreulich real. Blix versucht, den Verdacht der Bedrohung und den Abrüstungsauftrag ernst zu nehmen und aus den offenen Fragen zum Verbleib von Bio- und Chemiewaffen konkrete Fragen und Zeitabläufe zu entwickeln.

 Das wäre genug, um der Kriegstreiberei der USA den Wind aus den Segeln zu nehmen – wenn es tatsächlich um Waffen ginge. Genug auch, um es einem nach einem Ausweg suchenden George W. Bush zu erlauben, aus der selbst gewählten Sackgasse auszubrechen und unter Verkündung großer Erfolge auf einen Krieg zu verzichten. Nur: Begreift Bush das überhaupt? Oder ist der US-Präsident so fest im Griff der Armitages, Wolfowitz, Rumsfelds und Perles, dass er wirklich keine andere Möglichkeit sieht als Krieg? Dass er den ganzen Unsinn womöglich inzwischen selbst glaubt?

 Die von Colin Powell im Sicherheitsrat wiederholte Ankündigung, die US-Regierung wolle unbedingt in der nächsten Woche eine Abstimmung über eine den Krieg legitimierende Resolution, gibt wenig Hoffnung. Sollten die USA wirklich eine Resolution zur Abstimmung bringen, bei der sie die Vetos Frankreichs, Chinas und Russland fürchten müssen, wäre das schon ein verzweifelter Abgesang auf die eigene außenpolitische Überzeugungs- und Koalitionsfähigkeit. Eine Kriegserklärung in vielerlei Hinsicht. BERND PICKERT