Die Oberpfalz als Trainingsplatz für die Elite

taz-Serie: US-Stützpunkte. In Grafenwöhr liegt der größte Truppenübungsplatz der US-Streitkräfte außerhalb Amerikas. Während Umweltschützer vor Ausbau warnen, vermuten andere, dass die USA lieber gleich nach Osteuropa umziehen

MÜNCHEN taz ■ In Grafenwöhr ist der Krieg schon wieder vorbei. Bereits Ende Januar stießen hier US-amerikanische Truppen weit in das Hinterland des Gegners vor, das der irakischen Wüste verblüffend ähnlich sah – auf dem Computerbildschirm. Hochrangige US-Offiziere hatten sich zu der Übung „Victory Scrimmage“, zu deutsch etwa Siegesgerangel, auf dem Stützpunkt östlich von Nürnberg versammelt. Gekämpft wurde allerdings nicht nur auf dem Monitor. Gut 3.000 Soldaten beteiligten sich an dem Hightech-Manöver, das, wie eine Sprecherin des fünften Armeekorps mitteilte, „keineswegs der direkten Vorbereitung auf einen Krieg gegen die Irak diente“.

Grafenwöhr bietet für solche und für weit umfangreichere Übungen das ideale Gelände, denn hier, mitten in der Oberpfalz, liegt der größte Truppenübungsplatz der US-Armee außerhalb der Vereinigten Staaten. Über 2.500 Soldaten und deren Familienangehörige sind bislang auf dem zirka 23.000 Hektar großen Gelände stationiert, das bereits im Golfkrieg 1991 als wichtigstes Trainingslager der US-Streitkräfte in Europa diente. Doch das Pentagon hat noch weitere große Pläne für Grafenwöhr. Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden in dem beschaulichen Städtchen mit seinen gut 7.000 Einwohnern weitere 3.400 US-Soldaten mit ihren Familienangehörigen stationiert. Laut Zeitungsberichten in den USA und Deutschland handelt es sich dabei um eine mobile Elitetruppe zum Kampf gegen den Terrorismus. Alle bislang über Deutschland verstreuten Spezialeinheiten sollen in der Oberpfalz unter einem Kommando zu einer „schnellen Eingreiftruppe“ vereint werden, die von Grafenwöhr aus weltweit agiert. So könnte die verschlafene Oberpfalz unversehens zur militärischen Drehscheibe der USA im Kampf gegen al-Qaida werden.

Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. 1910 wurde er eingeweiht und diente im Ersten Weltkrieg als eines der größten Kriegsgefangenenlager in Deutschland. Während des Zweiten Weltkriegs wurde hier das deutsche Afrikakorps aufgestellt. Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes übernahmen 1945 die US-Amerikaner den Platz. Der bisher prominenteste Soldat in Grafenwöhr war Elvis Presley. Der blieb 1958 allerdings nur für sechs Wochen.

Welche Brigade auch immer jetzt nach Grafenwöhr kommt – sie bringt in jedem Fall viel Geld mit. Für den Bau eines neuen Camps sind angeblich Investitionen in Höhe von etwa 1,2 Milliarden Euro vorgesehen. Das, so frohlocken viele Einheimische, dürfte in der eher strukturschwachen Region zu einem wirtschaftlichen Boom führen. Wenn da nicht diese lästigen Umweltschützer wären. Denn gegen das Bauvorhaben hat sich bereits eine umtriebige Bürgerinitiative gebildet.

Nach Angaben eines Pentagon-Sprechers müssten für die neuen Einrichtungen insgesamt 80 Hektar Wald gerodet werden. Für ein so riesiges Bauvorhaben müsste nach geltendem Recht eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Doch der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck hat den US-Militärs sein Entgegenkommen signalisiert – aus „zwingenden Gründen der Landesverteidigung“ reiche eine kleinere, schnell durchgeführte Studie mit recht unverbindlichem Charakter. Dagegen protestieren allerdings die Bürgermeister von Grafenwöhr und der Nachbargemeinde Auerbach, Helmuth Wächter und Hellmut Ott, beide SPD. Denn in diesem Minigutachten kommen die Anwohner, die unter Übungslärm und Luftverpestung leiden, erst gar nicht zu Wort. Außerdem, sagt Ott, „musste die Stadt Auerbach bereits zwei Trinkwasserquellen wegen Verseuchung mit Sprengstoffchemikalien schließen“. Sollte die Antiterrorbrigade in Grafenwöhr biologische oder chemische Waffen testen, sieht Ott „die Gesundheit der Bürger gefährdet“.

Möglicherweise bleiben Grafenwöhr aber sowohl das viele Geld als auch die gerodeten Wälder erspart. Denn in den Planspielen des US-Verteidigungsministeriums, Truppen aus Deutschland abzuziehen oder nach Osteuropa zu verlegen, kommt auch die Oberpfalz vor. Erwin Huber (CSU), Chef der bayerischen Staatskanzlei, ließ bereits Zweifel am Großprojekt anklingen: „Wir haben damit gerechnet, dass in diesem Jahr noch Gelder für Grafenwöhr freigegeben werden. Jetzt gibt es Fragezeichen.“ JÖRG SCHALLENBERG