Eine „Riesen-Qualifizierungsinitiative“

Die Sozialbehörde nimmt einen Anlauf: Bremer Kindergärten sollen die viel begehrte Zweitkraft bekommen. Das Konzept, mit Geld aus Brüssel Langzeitarbeitslose und Erwerbslose dafür anzulernen, stößt allerdings nicht überall auf Gegenliebe

bremen taz ■ Langzeitarbeitslose ein paar Monate im Crash-Kurs fortbilden und dann als Zweitkraft-Azubi in die Kindergärten schicken – so dürfe die Zukunft der bremischen Kindergärten nicht aussehen. Das sagen ErzieherInnen, Eltern und GewerkschafterInnen sehr kritisch über ein Konzept aus dem Haus von Jugendsenatorin Karin Röpke (SPD). Eine erste Gelegenheit zur Debatte wird es in der für heute anberaumten Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses geben. Der soll auf Antrag der Grünen zwar vor allem die geplante Kürzung von über 200 Kindergarten-Ganztagsplätzen zum Thema haben (taz berichtete). Doch sind die Einsparungen dadurch schon im „Innovativen Finanzierungs- und Steuerungsmodell der frühkindlichen Betreuung in Bremen“ berücksichtigt.

Das von der Bremer Beraterfirma Fides erarbeitete Konzept verbindet ein Beschäftigungsprogramm für Erwerbs- und Langzeitarbeitslose mit dem im Koalitionsvertrag verabredeten „Einstieg in die Bereitstellung von ergänzenden Zweitkräften“ in Kitas: 260 derzeit Arbeitslose könnten nach zweijähriger Qualifizierung durch einen noch unbekannten Träger sowie in Kitas selbst als „Kinderpflegerin“ oder „Sozialassistentin“ regional eine Anstellung finden – denn dass dieser „Abschluss“ anderswo Bedeutung hätte, bezweifeln Experten. Dennoch werden dafür rund drei Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds fließen. „Ein Glücksfall“, sagt Senatorin Röpke. Sie spricht von einer „Riesen-Qualifizierungsinitiative“ – weswegen Arbeitsamt und Sozialressort ebenfalls zahlen. Als dritte Partei sollen freie Träger von Kindergärten „Leistungen erbringen“, indem sie sich an der Qualifizierung beteiligen. „Hierüber gibt es ein breites Einvernehmen“, betont das Ressort. Schon im April sollen Langzeitarbeitslose das viermonatige Assessment beginnen, um im KindergartenJahr 2005 bereit zu sein.

Ab 2005 nämlich beginnt eine Weiterbildungsoffensive für Bremer ErzieherInnen. Während die auf Fortbildung sind, sollen die Frisch-Qualifizierten einspringen. Sieht doch der unter Pisa-Schock verfasste Koalitionsvertrag vor, dass Kindergärten zu „frühkindlichen Bildungseinrichtungen“ werden sollen.

Davon spricht auch die Chefin der Evangelischen Kindergärten, Ilse Wehrmann. Allerdings um zu begründen, warum die Evangelischen Kitas in den angelernten Zweitkräften höchstens Ersatz für ausgeschiedene Zivildienstleistende sehen würden – aber nicht für ErzieherInnen. „Deren jetziges Ausbildungsniveau darf nicht unterschritten werden“, sagt Wehrmann. „In anderen Ländern haben Erzieherinnen Hochschulabschluss.“

Auch Katharina Krieger von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften spricht von einer Schmalspurausbildung ohne Zukunft. „Kinderpflegerinnen“ gebe es deswegen kaum noch. Sie wieder aufleben zu lassen, nennt sie „Hartz in Reinkultur“. Besonders kritisch sieht sie die Behördenidee, diese angelernten Kräfte in einer Beschäftigungsgesellschaft anzustellen und von dort nach Bedarf einzusetzen. „Da kommt offenbar eine Zeitarbeitsfirma ohne Tarifverträge ins Spiel.“ Der Senat verabschiede sich zunehmend aus seiner Verantwortung für Bildung. Auch schaffe das in Kitas weder Kontinuität noch die angestrebte Entlastung, denn ErzieherInnen sollten bei der Qualifizierung dieses neuen Personals ja mitwirken. Tatsächlich verheimlicht das Konzept nicht, dass die Planer eine hohe Abbrecherquote erwarten. Eva Rhode