Der Siemens-Chef sorgt für kalten Frust

Mitarbeiter-Protest: Gewinne, die Münchner Konzern-Boss feiert, sind durch „Kündigungsfiasko“ erkauft

MÜNCHEN taz ■ Drinnen herrschte warme Zufriedenheit, draußen kalter Frust. Drinnen, das war das Innere der Münchner Olympiahalle, wo sich gestern tausende Aktionäre des Siemens-Konzerns zur jährlichen Hauptversammlung trafen. Voller Wohlbehagen werden die meisten von ihnen den Worten von Vorstandschef Heinrich von Pierer gelauscht haben. Denn der hatte nur Gutes zu berichten – zumindest aus Sicht der Chefs und Aktienbesitzer.

Der Gewinn des weltweit agierenden Unternehmens mit Stammsitz in München verbesserte sich im ersten Quartal des Geschäftsjahrs 2003/2004 um 39 Prozent und stieg auf 726 Millionen Euro. Der Umsatz sank zwar um drei Prozent auf 18,3 Milliarden Euro, was von Pierer allerdings auf den gesunkenen Dollarkurs zurückführte. Dafür stieg der Wert der eingegangenen Aufträge trotz des starken Euro um zwei Prozent auf 20,5 Milliarden Euro.

Besondere Freude bereitete Konzernboss von Pierer, dass der Geschäftsbereich Information and Communication/ Netzwerke erstmals einen Gewinn von 51 Millionen Euro verbuchen konnte – ein Jahr zuvor standen noch 151 Millionen Euro Verlust zu Buche. Den Sprung in die Gewinnzone schaffte Siemens aber nur, weil in den vergangenen Jahren in diesem Bereich etwa 20.000 Arbeitsplätze gestrichen wurden. Deswegen herrschte draußen auch kalter Frust.

Vor dem Haupteingang der Olympiahalle hatten sich am Morgen bei eisiger Kälte einige Dutzend Gewerkschaftler und Münchner Siemens-Mitarbeiter versammelt, um gegen das „Kündigungsfiasko“ zu protestieren. Eine angekündigte Großdemonstration blieb dagegen aus. Besonders verärgert waren die meisten der Frierenden darüber, dass die Rekordgewinne „nur den Aktionären zugute kommen und bei den Beschäftigten gnadenlos gespart wird“. So schimpft ein Siemens-Mitarbeiter, bevor er mit grimmiger Miene von dannen stapft. Auch die erhöhten Bezüge der Vorstandsmitglieder kann angesichts der Entlassungswelle niemand vor der Halle verstehen.

Doch auch drinnen gibt es ein bisschen Protest. Der „Verein der Belegschaftsaktionäre“ hat wegen der Beschäftigungspolitik des Konzerns den Antrag gestellt, den Vorstand nicht zu entlasten. Bis taz-Redaktionsschluss war darüber nicht abgestimmt worden, die Erfolgsaussichten waren minimal.

JÖRG SCHALLENBERG