Die Toten Teufel leben wieder

Nach dem 5:0 über Nürnberg bricht in Kaiserslautern Euphorie aus – und die Hoffnung, Klose halten zu können

KAISERSLAUTERN taz ■ Miroslav Klose ist kein Mensch, der gerne von seinen Gefühlen redet. Man sieht es ihm an, ob es ihm gut geht oder schlecht. Er braucht Harmonie, ein intaktes Umfeld, dann stimmt auch seine Form. Wenn tausende auf dem Betzenberg diesen banalen Choral „Miro Klose Fußballgott“ anstimmen, dann ist seine Welt in Ordnung – auf diese Weise hat er selbst von einem Stehplatz in der Westkurve jahrelang die Helden der „Roten Teufel“ angehimmelt, Olaf Marschall etwa, seinen Vorgänger als Torjäger. Dessen Treffer haben dem Fritz-Walter-Verein 1998 den Meistertitel beschert, was Experten wie Günter Netzer als bis dato größte Sensation in der Geschichte des deutschen Fußballs einschätzen. Vergleichbare emotionale Wellen schwappen nun durch die Südwestregion, da Klose und Co. das nächste Wunder eingeleitet haben: Seit sieben Partien ist der vermeintliche Abstiegskandidat nun unbesiegt; nach dem 5:0-Erfolg über den 1. FC Nürnberg ist die Rettung wieder zum Greifen nah. Und nachdem sich die Mannschaft von Trainer Eric Gerets vergangene Woche auch noch für das Pokalfinale gegen Bayern München und dank dieses Gegners automatisch für die Teilnahme im Uefa-Cup qualifiziert hat, herrscht nun grenzenlose Euphorie.

Diese Stimmung will René C. Jäggi, der gefeierte Sanierer aus der Schweiz, nun nutzen, um den Torjäger der Nation wenigstens für ein weiteres Jahr dem 1. FC Kaiserslautern zu erhalten. Klose müsse nicht weg, es liege kein konkretes Angebot vor, die wirtschaftlichen Umstände ließen einen weiteren Verbleib Kloses zu, erklärte der Vorstandsvorsitzende: „Ich gehe davon aus, dass er bleibt.“ Der Betroffene selbst schlug um diese Fragen Haken wie zuvor um seine Bewacher; nur der Reporter von Premiere erwischte ihn bei der Ehrung zum Mann des Spiels. „Die Chancen stehen 50 zu 50“, so Klose, er werde sich dazu in nächster Zeit äußern, wichtiger sei jetzt, „dass wir nicht absteigen“.

Intern wertet man solche Zitate bereits als klare Zusage. Nachdem der Verkauf des Stadions und die sportliche Wende den Fortbestand des Bundesliga-Standorts Kaiserslautern sichern sollten, könnte der 25-Jährige seine Karriere weiter nach jenen Gesichtspunkten planen, die ihm Teamchef Völler empfohlen hat, bevor Klose im Verlauf des FCK-Crashs zum letzten Millionenpfand und Spekulationsobjekt des Klubs geworden war. Mit der Bundesliga-Lizenz in Sicht aber könnte der brave Bub aus Blaubach-Diedelkopf weiter in vertrauter Umgebung leben und dort jene internationale Erfahrung sammeln, die beim FC Bayern München als Voraussetzung gilt, wenn dort im Sommer 2004 das Trikot von Giovane Elber frei wird.

An der Form ihres Torjägers haben sich nicht nur die Kollegen, sondern auch die Zuschauer mit hochgezogen. Dass in Deutschlands berühmtestem Fußballtempel nun wieder die alten Riten gelten, und die Roten Teufel so tanzen, wie man sich den FCK immer vorgestellt hat, muss man auch dem belgischen Trainer Gerets anschreiben. Der verlangt taktische Disziplin und Kampf, er will Leidenschaft und den Charakter der ganzen Mannschaft sehen, nicht Soli oder Aktionen einzelner Stars. Genau diese Vorzeigefigur verkörpert kein anderer besser als der bescheidene und volkstümliche Antistar Miro.

Nach ähnlichen Typen, erst recht nach Vorbildern, wird beim 1. FC Nürnberg vergebens gefahndet. Der Star ist hier nicht die Mannschaft. Es gibt zwar so einige, die sich auf dem Platz wie Schauspieler aufführen, aber der einzig echte Star ist der Trainer – Weltmeister Klaus Augenthaler. Der ist gefragt worden, mit welchen psychologischen Mitteln er auf die böse Klatsche reagiere. „Wenn ich die Peitsche nehme, habe ich in der nächsten Woche nur noch fünf Spieler“, hat Augenthaler geantwortet. Sonderlich ermutigend klang das nicht gerade.

MARTIN HÄGELE