Fußballfans müssen Daten speichern lassen

Tickets für die WM 2006 gibt es nur mit persönlichem Code. Chipkartenhersteller hoffen auf weitere Geschäfte

BOCHUM taz ■ Fußballfans aus aller Welt werden bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland erstmals zu spüren bekommen, was passiert, wenn sich der DFB mit der Chipkartenindustrie verbündet. Denn der Veranstalter will die Eintrittskarten mit personalisierten Chips versehen, um den Schwarzhandel zu unterbinden und bekannte Gewalttäter von den Spielen auszuschließen. Das verkündete der Leiter der Ticket-Abteilung vom Organisationskomitee, Jürgen Domberg, auf der in der letzten Woche in Berlin beendeten Omnicard, einem Branchentreffen der Chip- und Sicherheitskartenindustrie.

Der Fußballfan soll die WM-Karten nur per Kreditkarte über das Internet bestellen können und erst einmal eine Bestellbescheinigung erhalten. Das Ticket mit den persönlichen Daten erhält der Fan erst kurz vor der WM – so sollen Schwarzhandel und Fälschung unterbunden werden. Denn den Code im Chip auf der Eintrittskarte gibt es weltweit nur ein einziges Mal.

Mittlerweile ist bei den Herstellern der Chips mit Radio Frequency Identification (RFID) ein regelrechter Boom ausgebrochen. Analysten sagen dem Markt bis 2008 ein Volumen von 3,1 Milliarden Dollar voraus. Die Chips, die ohne eigene Stromversorgung in einem Hochfrequenzfeld auch im Abstand von mehr als einem Meter noch ausgelesen werden können, sollen wichtige Daten in sich tragen und beispielsweise in Kleidungsstücke eingewebt werden können. Dort könnten sie dann auch die Größe, Farbe und Pflegehinweise für einen Pullover speichern. Denn die RFID-Chips lassen sich sogar waschen.

In dieser Woche hatte der deutsche Handelsriese Metro angekündigt, bis 2007 den Strichcode auf seinen Produkten mit Hilfe von Funkchips ersetzen zu wollen. Metro verspricht sich davon um 20 Prozent geringere Lagerkosten. „Diese sinkenden Kosten kommen dann auch irgendwann dem Kunden zugute“, sagt Albrecht von Truchseß, Sprecher des Metro-Konzerns. In seinem „Future Store“ in Rheinberg hat der Handelsriese, zu dem unter anderen Kaufhof, Saturn und Praktiker gehören, schon einige Produkte mit den fast unsichtbaren Chips ausgestattet. Dort fänden die Kunden auch Informationsmaterial. Zudem gebe es im Laden auch einen „Deactivator“, an dem jeder Kunde, der nicht mit den Daten seiner gekauften Produkte durch die Gegend laufen wolle, jeden Chip einzeln löschen könne.

Diese Praxis kritisiert der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs, FoeBuD e.V., der auch den Big-Brother Award vergibt. Den Preis gibt es für Firmen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen. In der Kategorie Verbraucherschutz gewann zuletzt der „Future Store“. Rena Tangens, Sprecherin des Vereins, erläutert die Vorbehalte gegen das Vorgehen von Metro: „Es darf nicht sein, dass es für den Kunden einen Extraaufwand bedeutet, die Daten auf den Chips zu zerstören.“ Tangens fordert, dass die Chips schon im Laden nicht mehr funktionieren sollten. Sonst lasse sich ohne Probleme überwachen, wer wie lange in einer Abteilung gewesen sei. Im Zusammenhang mit anderen Daten über den Kunden, eventuell aus Rabattkarten, die künftig auch mit RFID-Technik versehen sein werden, bestehe die Gefahr, dass Konsumenten nicht mehr gleich behandelt würden. In den USA lasse sich bereits beobachten, dass weniger mobile Kunden gegenüber flexiblen benachteiligt würden, da diese schneller zur Konkurrenz wechselten. Tangens wirft Metro vor, Gesprächsangebote der Datenschützer nicht genutzt zu haben.

PR-Mann Truchseß sieht sich in Sachen RFID auf einem langen Weg: „Da muss noch eine Menge Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden.“ Zudem hätten einige Firmen der Einführung der RFID-Chips sehr geschadet. Benetton hatte unlängst angekündigt, sämtliche Kleidung zu markieren. Die Firma Gilette war jüngst in die Kritik geraten, weil in einer britischen Supermarktkette automatisch jeder fotografiert wurde, der nach einer mit RFID-Chip versehenen Rasierklingenpackung griff. ELMAR KOK