„Kriegsende in der Sekunde des Anfangs“

Exgeneral Eisele hofft auf eine Kompromiss-Resolution – oder eine Flucht Saddam Husseins am Tag 1 der Invasion

taz: General Eisele, ist der Krieg im Irak unvermeidlich?

Manfred Eisele: Nein, ich sehe zwei Auswege: Entweder Saddam Hussein geht ins Exil oder es findet sich noch ein Resolutionsentwurf, der die Differenzen im UNO-Sicherheitsrat überbrückt. Manche Berater von Präsident Bush raten ihm, Kompromissbereitschaft gegenüber den europäischen Kriegsskeptikern zu zeigen. Diesen Kräften muss die Nein-Front den Rücken stärken.

Wie könnte eine Kompromiss-Resolution aussehen?

Es muss gelingen, einen Kompromiss für den US-Präsidenten akzeptabler zu machen. Dazu gibt es Möglichkeiten auf offener Bühne und dahinter: Zum einen darf man nicht weiter Salz in die Wunden der Amerikaner streuen. Gleichzeitig ist es notwendig, über eine neue Resolution das Gespräch im kleinen Kreis zu suchen. Damit haben wir etwa 1996 ein Veto Chinas gegen einen Blauhelm-Einsatz in Guatemala auflösen können.

Wie viel Zeit soll der Irak erhalten?

Die USA würden den 1. Juni wohl als eine Maximalforderung ansehen, aber Mitte April erschiene eine Zwischenlösung, die die militärisch-operativen Zwänge der USA berücksichtigt. Dann würde es eine unglaubliche Wirkung haben, wenn ausgerechnet die Vorreiter der Nein-Koalition, Präsident Chirac und Kanzler Schröder, nach Bagdad fliegen, um Saddam Hussein zu sagen: Wir haben uns gegen einen Krieg engagiert bis zum Gehtnichtmehr, aber genug ist genug.

Würde ein Blauhelm-Regime helfen, die weitere Abrüstung des Irak zu garantieren?

Im Irak wäre ein Blauhelm-Einsatz ein untaugliches Instrument: wer stellt denn dann die Blauhelme? Die USA und Großbritannien würden mit Recht erwarten, dass die Nein-Koalitionäre dafür ihre Soldaten in den Irak entsenden. Ich sehe aber nicht, dass diese Bundesregierung eine deutsche Blauhelm-Feuerwehr in den Irak schickt.

Ohne Resolution ist alles verloren?

Nein, wenn Saddam Hussein schon am Tag 1 oder 2 einer US-Invasion flüchtet, könnte Präsident Bush die Ampel des Krieges sofort wieder von Grün auf Rot stellen.

UNO-Blauhelme verhalten sich vielleicht so, aber warum sollte die US-Streitmacht wie 1991 vor Bagdad stoppen?

Wenn es nur eines kurzen Tritts in die Gefühlszentrale bedürfte, um Saddam Hussein loszuwerden, wäre der US-Erfolg total. Diktatoren halten sich zwar oft noch um fünf Minuten vor zwölf an der Macht fest, doch Saddam macht sich womöglich schon in der ersten Sekunde des Zwölf-Uhr-Läutens aus dem Staub. Dann erleben wir ein Kriegsende in der Sekunde des Anfangs.

INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ