Enteignung verstößt gegen Menschenrecht

Straßburger Gerichtshof: Verstaatlichung von DDR-Grundstücken rechtswidrig. Berlin prüft Rechtsmittel

STRASSBURG/BERLIN dpa/afp ■ Deutschland muss Bürger der ehemaligen DDR für Grundstücke entschädigen, die im Zuge der Wiedervereinigung verstaatlicht wurden. Dies stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gestern in einem Urteil fest. Die Straßburger Richter gaben damit vier Frauen und einem Mann aus der früheren DDR Recht. Nach ihrer Niederlage vor Gericht prüft die Bundesregierung die Anfechtung des Urteils. Das Bundesjustizministerium erklärte, dazu gebe es drei Monate Zeit. Das Gericht hatte die ohne jegliche Entschädigung vorgenommene Enteignung von Immobilien, die aus der so genannten Bodenreform stammten und nach 1945 verteilt worden waren, für rechtswidrig erklärt.

Die Grünen-Bundestagsfraktion hat eine sorgfältige Prüfung des Straßburger Urteils angekündigt. Es handele sich um eine „rechtlich äußerst vielschichtige Materie“, erklärten die Innenpolitikerin Silke Stokar und der Sprecher der Arbeitsgruppe Ost, Peter Hettlich. „Es wird nicht einfach sein, eine Regelung zu finden, die den Betroffenen gerecht wird und die neuen Länder nicht überfordert.“ Damit müsse sich Deutschland „mit einer weiteren Altlast aus den Zeiten Helmut Kohls befassen“.

Der Vorsitzende der land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzerverbände in Deutschland begrüßte das Straßburger Urteil. „Das ist ein ermutigender und erfreulicher Tag für den Schutz von Eigentum in Europa“, sagte Michael Prinz zu Salm-Salm am Donnerstag in Berlin.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe „klargestellt, dass die ohne jegliche Entschädigung vorgenommenen Enteignungen der so genannten Neubauern/Siedler bzw. deren Erben eine Eigentumsverletzung darstellt“. Mit seinem Urteil widerspricht das Straßburger Gericht einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hatten die Enteignungsregelungen im November 2000 gebilligt.

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