Gericht stoppt Streik
: Zu komplex

Der Streik in der Heidelberger Druckmaschinenfabrik in Kiel dauerte gestern nur eine Stunde. Dann musste die Streikleitung während einer Versammlung vorm Werkstor den Arbeitskampf aussetzen. Grund: Das Kieler Arbeitsgericht hatte am Vorabend ohne Anhörung der IG Metall auf Antrag des Heidelberger Vorstandes eine einstweilige Anordnung gegen den Arbeitskampf erlassen, die für gestern und heute galt.

Dass die Kieler Gerichte in Sachen Arbeitnehmer-Interessen oft eine eigene Sicht haben, ist unter Arbeitsrechtlern bekannt. Die Gerichtssprecherin Sylke Otten-Ewer weist Vorwürfe gegen ihre Kollegin zurück. „Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist erst am Montag nach 14 Uhr eingereicht worden, da konnte keine mündliche Verhandlung mehr anberaumt werden.“ Otten-Ewer weist ausdrücklich darauf hin, dass die Unterbindung des Streiks nur bis heute gelte. Die Richterin habe Montag zu wenig Zeit gehabt, die komplizierte Materie zu prüfen, ob der Streik vielleicht rechtswidrig sei. Daher sei der Streik-Stopp zu rechtfertigen, damit das „Recht einer Partei nicht vereitelt oder erschwert“ werde.

Die IG Metall legte gestern Widerspruch gegen die Anordnung ein. „Das Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung nicht nur für Heidelberger, sondern für alle von Massenentlassung bedrohten Beschäftigen“, schimpft Verhandlungsführer und IG Metall-Justitiar Christian Schoof. Denn die Absicherung von Beschäftigten bei Massenentlassungen durch Haustarifverträge – auch wenn dazu Streiks notwendig sind – ist nach einem Urteil des Lübecker Arbeitsgerichts vom Juni 2001 ausdrücklich zulässig, kein Eingriff in die Friedenspflicht und inzwischen anerkannte Praxis. Heidelberger will in Kiel fast 800 Mitarbeiter entlassen und die Produktion der neuen digitalen Farbdruckmaschine nach Ronchester (USA) verlagern. KVA