Eiskalt den Palast besetzt

Rund 70 Studenten und Studentinnen besetzen zeitweise den Palast der Republik. Erst als eine Demo vorbeikommt, kriegt die Polizei das mit. Forderung: das Gebäude für soziale Einrichtungen nutzen

VON WALTRAUD SCHWAB

Eine Palastbesetzung ist mehr als Metapher. Erst als die Besetzer und Besetzerinnen auf ihre Aktion zivilen Ungehorsams aufmerksam machten, merkte die Polizei, dass etwa 70 Studierende die Nacht im Palast der Republik verbracht hatten. Aus Protest.

Eine spontane Aktion sei es gewesen, sagen die Studentinnen und Studenten, die Samstagabend übermüdet, durchgefroren, aber gut gelaunt aus dem Palast der Republik kommen. Seit Freitagnacht hatten ungefähr 70 Leute darin ausgeharrt. „Ihn besetzt.“ Bei minus zehn Grad. Ihre Forderung: Auf den Abriss solle verzichtet werden, denn der sei letztlich mit Einsparungen im Sozialbereich und an den Universitäten erkauft. Fast zwölf Stunden waren die Besetzer und Besetzerinnen unbemerkt im Palast, den zu kapern ganz leicht gewesen sei. „Er war offen“, sagt eine junge Frau, die darin übernachtet hat. Erst als alle drin waren, sei die Tür von innen mit Stahlplatten verschraubt worden.

Mit Taschenlampen hätten sie das Gebäude inspiziert, erzählt ein Besetzer. Nur in die Keller seien sie nicht gekommen. „Ein bisschen unheimlich war’s. Und kalt“, meint seine Freundin. „Aber wenn die Herzen im Feuer sind, ist die Außentemperatur nicht so wichtig“, wirft ein Philosophiestudent ein. Das Heimliche, das Subversive, das Widerständige hat den Puls der BesetzerInnen, die von allen Unis und Fachhochschulen, quer durch alle Fächer und Semester kamen, höher schlagen lassen.

Als die samstägige Studentendemonstration mit etwa 1.000 TeilnehmerInnen die Straße Unter den Linden entlangkam, befestigten die Besetzer und Besetzerinnen ihr riesiges Transparent an der Fassade. „Besetzt. Ist doch tipptopp!“ stand drauf. Erst jetzt wurde die Polizei auf sie aufmerksam.

Zeitweise war dann die Stimmung rund um den Palast aufgeheizt. Während die drinnen mit der Einsatzleiterin einen friedlichen Abzug aushandelten, sofern sie ein Gespräch mit einem Vertreter vom Bundesvermögensamt, dem Hausherrn des Grundstücks, führen könnten, was allerdings an dessen Gesprächsunwilligkeit scheiterte, kam es auf dem Schlossplatz zu Gerangel. „Keine Gewalt, keine Gewalt, keine Gewalt!“, skandieren die Protestierenden, als Polizisten Pfefferspray einsetzen. „Sollen froh sein, dass wir demonstrieren. So sichern wir deren Arbeitsplätze noch mit“, meint ein BWL-Student. „Kürzungen treffen die doch auch.“

Angesprochen auf den Zusammenhang zwischen den Einsparungen an den Universitäten und dem Palast, wird argumentiert: „Warum für viele Millionen ein Gebäude abreißen, das Symbol deutscher Geschichte ist und das sozialen Einrichtungen gut als Domizil dienen könnte?“

Mittlerweile protestieren die Studenten nicht nur gegen die Misere an den Unis, sondern sie verstehen ihre Aktionen als Teil der Proteste gegen den sozialen Kahlschlag insgesamt. Und sie sehen einen Zusammenhang zwischen den Einsparungen einerseits und der Finanzierung überzogener Prestigeprojekte und der Risikoabschirmung im Bankenskandal andererseits. Und den Palast verstehen sie als Ort der Bürgergesellschaft.