Letten gegen Russisch

Neues lettisches Gesetz schränkt Schulunterricht in russischer Muttersprache stark ein. Proteste nehmen zu

STOCKHOLM taz ■ In Lettland verschärft sich der Konflikt zwischen den Behörden des Landes und der großen russischsprachigen Minderheit. Am Freitag protestierten bereits den zweiten Tag in Folge über eintausend SchülerInnen und StudentInnen in der Hauptstadt Riga gegen die Verabschiedung eines neuen Schulgesetzes, das den russischsprachigen Unterricht drastisch einschränkt. Danach wird auch an den Gymnasien der russischen Minderheit ab 1. September die Unterrichtssprache grundsätzlich Lettisch. Betroffen sind rund 40 Prozent russischer MuttersprachlerInnen in Lettland. Die Regierung begründet die Reform mit gesteigerten Berufschancen aufgrund besserer Lettischkenntnisse. Igor Pimenow, Sprecher der Interessenvertretung russischsprachiger Schulen, sieht das als Vorwand. „Die Regierung versucht, die Kultur der russischen Minderheit immer mehr zu schwächen.“ Nach der bisherigen Regelung mussten Schüler an diesen Gymnasien einen 60-prozentigen Anteil Unterricht in lettischer Sprache bekommen. Nun steige der Anteil auf 90 Prozent. Pimenow verweist auf Äußerungen rechtsnationaler Abgeordneter, welche russischsprachigen SchülerInnen empfohlen hatten, nach Russland zu gehen, wenn sie Russisch lernen wollten.

Die russische Regierung unterstützt die Proteste. Das Außenministerium hat wiederholt die Situation der RussInnen in Lettland kritisiert. Vergangene Woche hatte der russische Vizeaußenminister Wladimir Tschischow während seines Antrittsbesuchs bei der neuen EU-Ratspräsidentschaft in Dublin ebenfalls die Minderheitenfrage angesprochen. Er kündigte an, Moskau werde dieses Thema mit der Erneuerung des 1997 in Kraft getretenen Partnerschaftsabkommens mit der EU verknüpfen. Während Brüssel im Wesentlichen von einer automatischen Geltung für alle neuen EU-Staaten ausgeht, will Moskau mit jedem Beitrittsland bilaterale Zusatzabkommen schließen.

REINHARD WOLFF