Wenn Windows zweimal klingelt

Auf der Cebit stellt Microsoft auch dieses Jahr wieder eine Version seines Betriebssystems vor, die das Handy zum Multimedia-Gerät machen soll. Aber die großen Hersteller der Hardware sind dabei, sich auf einen besseren Standard zu einigen

von JENS UEHLECKE

Gleich 4.000 Quadratmeter hat Microsoft auf der diesjährigen Cebit gepachtet: für Windows, Office, E-Government und so genannte Business Solutions. Verwunderlich ist nur, dass die Redmonder ihre Zelte nicht auch in der Nähe der Handyherstellern und Mobilfunknetzbetreiber aufgeschlagen haben. Denn nach seinen erfolgreichen Feldzügen auf dem Organizermarkt plant Microsoft hier die nächste Großoffensive.

Die Waffe trägt den Codenamen „Stinger“. Ähnlich offenbar wie die berühmten Luftabwehrraketen gleichen Namens soll das erste Handybetriebssystem auf Windows-Basis die Platzhirsche Nokia, Motorola und SonyEricsson attackieren: „Bis 2007“, sagt Microsoft-Produktmanagerin Stefanie Rothenbücher, „wollen wir mit unserer Software einen Marktanteil von 30 Prozent bei den so genannten Smart Devices erreichen.“

„Smart“ werden Handys genannt, wenn sie neben Telefonie, Mitteilungsversand und Datenübertragung auch Computerfunktionen wie etwa das Abspielen von Musik und Videos, das Anzeigen von Textdateien oder Instant Messaging beherrschen. Bereits 2007 wird sich nach Schätzungen der Marktforscher von IDC schon fast jedes zweite der rund 700 Millionen verkauften Mobiltelefone mit der Vorsilbe „Smart“ schmücken. Geht es nach Microsoft, soll dann also auf rund 100 Millionen davon „Smartphone 2002“ – so der offizielle Name des Handy-Windows – laufen.

Bislang allerdings geriet Microsoft beim Start in die Handywelt arg ins Stolpern. Bereits auf der Cebit 2001 hatte das Unternehmen gemeinsam mit der britischen Handyschmiede Sendo ein erstes Windows-Mobiltelefon angekündigt. Microsoft war von seinem neuen Partner sogar dermaßen überzeugt, dass es einen 10-prozentigen Anteil übernahm. Im letzten Herbst war es nach wiederholten Terminverschiebungen endlich so weit: Erste Vorserienmodelle des „Z100“ wurden zum Testen an Journalisten verschickt. Die Auslieferung stand angeblich unmittelbar bevor, in Deutschland sollte der Sendo-Neuling bei T-Mobile in die Läden kommen.

Diebstahl und Spionage

Doch dann zogen die Briten ihre Ankündigung überraschend zurück und verklagten Microsoft, weil es angeblich geistiges Eigentum von Sendo gestohlen habe: Der englische Netzbetreiber Orange und der taiwanische No-Name-Hersteller HTC waren dem Z100 mit einem eigenen Windows-Handy zuvorgekommen und hatten der britischen Konkurrenz die Show gestohlen. Prompt meinte Sendo, bei der schnellen Entwicklung sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, und warf Microsoft vor, Expertenwissen von Sendo an die Wettbewerber weitergegeben zu haben. Microsoft ließ die Vorwürfe nicht auf sich sitzen und reichte seinerseits Klage ein: Sendo habe sich nicht an die vereinbarten Zeitpläne gehalten. Nun müssen die Richter über die Trümmer des verpatzten Marktstarts entscheiden.

Aber auch die Markteinführung des „SPV“ (Sounds, Videos, Pictures) getauften Orange-Handys stand unter keinem guten Stern. Zwar jubelte die Fachpresse zunächst, als Microsoft, HTC und Orange den schicken Silberling Ende letzten Jahres gemeinsam in London enthüllten, schien doch endlich die viel beschworene Konvergenz von PC und Telefon greifbare Formen anzunehmen. Denn neben klassischen Handyfunktionen bietet das SPV eine Reihe von Pocketversionen alter Bekannter – darunter den Internet Explorer, den MSN Messenger und Outlook. Sogar abgespeckte Kopien des Präsentationsprogramms Powerpoint und des Media Players sind an Bord des 95 Gramm schweren Gerätes. Ein Feuerwerk an Funktionen unter einer Oberfläche, die jeder Windows-Anwender intuitiv bedienen könnte – so zumindest das Versprechen.

Von der Euphorie ist heute nicht mehr viel zu spüren. Obwohl das Betriebssystem speziell auf den eingebauten Texas-Instruments-Prozessor abgestimmt ist, vergehen manchmal Sekunden, bis das Handy auf einen Tastendruck reagiert. Frisch gebackene „Windows powerd Smartphone“-Kunden kommen so nicht nur in den Genuss des Windows-typischen Outfits, sondern auch in den der Windows-typischen Warterei. Besonders ärgerlich ist das bei der mitgelieferten Ansteckkamera. Drückt man den Auslöser, ertönt zwar unmittelbar ein Klickgeräusch, tatsächlich wird aber erst Sekunden später geknipst – wenn die Kamera schon wieder auf dem Weg in die Hosentasche ist.

Falsche Nummer

Immerhin fügt sich das Windows-Handy nahtlos in die Microsoft-Welt ein. Dank einer mitgelieferten Docking-Station lassen sich Kontakte und Termine in Sekundenschnelle mit dem Outlook auf dem Büro-PC abgleichen. Und ein eingebauter SD-Karten-Slot sorgt dafür, dass das Telefon mit bis zu 256 Megabyte zusätzlichem Speicher versorgt werden kann. Darauf passen etwa die 400 Minuten Musik im populären MP3-Format.

Doch was bringen solche Schmankerln, wenn das SPV nicht einmal seine Grundfunktionen perfekt beherrscht? In einschlägigen Internetforen wimmelt es nur so von Bugmeldungen. So will ein SPV-Besitzer beobachtet haben, dass aus Outlook importierte Telefonnummern gelegentlich nicht korrekt gewählt werden. Eine andere Eigenart kennen hartgesottene PC-User schon von älteren Windows-Versionen: Je mehr Programme sie starten, desto langsamer laufen sie. Wer deshalb Anwendungen beenden möchte, staunt nicht schlecht: Viele davon lassen sich nicht mehr aus dem Speicher entfernen, weil der erst nach dem Ausschalten entrümpelt wird. Und selbst mit den schnellen GPRS-Datenverbindungen hat das Mini-Windows seine Probleme: Oft wird im Onlinemodus kein einziges Byte übertragen. Darüber tröstet auch der gut gemeinte Rat der Orange-Hotline nicht hinweg: „Meist hilft nur ein Neustart.“

Neuer Standard

Wahrscheinlich hat all das dazu beigetragen, das T-Mobile nicht, wie ursprünglich angekündigt, im März, sondern erst im Sommer ein HTC-Handy mit Smartphone 2002 auf den deutschen Markt bringen will. Denn hinter den Kulissen, so heißt es, wird fleißig an Hardware und Software gefeilt. Eine Schlappe wie Orange in Großbritannien will man hierzulande nicht erleben. Immerhin hat Microsoft vor einigen Tagen auch für Orange-Kunden ein Software-Update bereitgestellt, das eine Reihe von Fehlern beheben und das Speichermanagement verbessern soll. „Wir stehen noch am Anfang im Handymarkt“, gibt sich Stefanie Rothenbücher zuversichtlich. „Alle Beteiligten lernen aus ihren Fehlern – wir werden schon bald ein hervorragendes Produkt zu bieten haben. Software ist schließlich unser Business.“

Wird Smartphone 2002 also doch noch ein Erfolg? Selbst wenn es Microsoft gelingt, die Fehler der ersten Stunde auszumerzen, gibt es reichlich Gegenwind. Bislang haben lediglich No-Name-Hersteller „Windows Powered Handys“ angekündigt, darunter Mitac und Compal. Von den großen Handyherstellern will nur Samsung „Smartphone 2002“-Handys ins Programm nehmen. Allerdings haben sich die Koreaner mittlerweile auch der konkurrierenden Symbian-Allianz angeschlossen, zu der inzwischen alle gewichtigen Hersteller wie etwa Nokia, Motorola, Sony Ericsson und Siemens gehören. Und Symbian schneidet in den Augen vieler Handyhersteller wesentlich besser ab als das Telefon-Windows. „Wir haben uns für unsere Smartphones für Symbian OS entschieden, weil es schlanker, schneller und stabiler ist“, erklärt etwa Siemens-Sprecherin Anja Klein. „Windows-Lösungen eignen sich in unseren Augen eher für PDAs.“

Damit könnte sie Recht haben: Im Markt für Organizer mit Telefon- und Internetfunktionen konnte Microsoft mit den von T-Mobile und O2 vertriebenen Modellen „xda“ und „mda“ bereits große Erfolge feiern. Beide Geräte bentzten allerdings „Pocket PC“ – einen weiteren Spross aus der Windows-Familie – der sich indessen nicht für kleinere Geräte eignet.

Viel spricht daher für Symbian OS als künftigen Smartphone-Standard. Nicht nur dass die Anhänger etwa 80 Prozent des Handymarktes beherrschen und mit dem Siemens SX1, dem Nokia 3650 und dem SonyEricsson P800 gerade eine Reihe sehr ausgereifter Modelle auf den Markt bringen. Es ist auch zu erwarten, dass sich mehr Entwickler auf die Symbian-Seite als auf die Microsoft-Seite schlagen. Aus gutem Grund: Als einziger Netzbetreiber mit Windows-Handy hat sich Orange für eine nicht nachvollziehbare Lizenzpolitik entschieden. Wer Programme fürs SPV entwickeln und verkaufen will, muss 600 US-Dollar für deren Zertifizierung berappen. Ohne digitale Signatur sind sie nicht lauffähig. Immerhin scheint Microsoft den Fehler seines Partners mittlerweile erkannt zu haben und bietet Programmierern bis Ende März an, zumindest die Hälfte der Kosten zu übernehmen.

Das nächste Gefecht

Ein erster Schritt in die richtige Richtung? Vielleicht gelingt es Microsoft und seinen Hardware-Partnern ja, eine zweite Generation von Windows-Smartphones auf den Markt zu bringen, die stabiler und verlässlicher ist als die erste. Vielleicht gilt das sogar schon für das HTC-Smartphone, das T-Mobile in wenigen Monaten vorstellen wird. Der Handymarkt der Zukunft ist riesig – und Microsoft wäre nicht Microsoft, wenn es schon nach den ersten Widrigkeiten aufgeben würde. Und wer hätte 1985, als Windows 1.0 in die Läden kam, gedacht, dass Windows 3.0 fünf Jahre später ein Riesenerfolg werden würde.

jue@bitfaction.com