Freundlicher Hohn

Wie sich ein Grüner, ein Linker und ein Sozialdemokrat mal über Rot-Rot-Grün unterhielten. Ein Ortstermin

Mit freundlichem Hohn begrüßte der Moderator Robin Alexander, Ex-taz-, jetzt Welt-Redakteur, den Diskutanten Björn Böhning: „Schön, dass Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren konnten, zu kommen.“

Böhning, junger SPD-Linker mit Karrierechancen, mochte an diesem Abend aber gar keine Witze auf Kosten der SPD hören. Dass ein Häuflein Genossinnen plus Genosse zwei Tage zuvor aus sogenannten Gewissensgründen das rot-rot-grüne Regierungsbündnis in Hessen und damit leider auch die Hessen-SPD versenkt hatte, machte ihm die Teilnahme an der Gesprächsrunde ohnehin nicht leichter.

„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen“, maulte er.

Gemeinsam mit Jürgen Trittin, Grünen-Spitzenkandidat und Ex-Minister, und Stefan Liebich, Linken-Fraktionsvize in Berlin, sollte Böhning die Frage ausloten: „Rot-Rot-Grün – Bedrohung oder Chance?“

Nicht ganz 100 Gäste, großenteils Linken-nah oder -organisiert, waren in das flächendeckend rot gestrichene Kneipen-Hinterzimmer in Berlin-Pankow gekommen. Bei schnell schwindenden Sauerstoffkapazitäten durften sie feststellen, dass die drei Protagonisten das Thema zunächst einmal als Bedrohung ihrer eigenen Rolle wahrzunehmen schienen.

Weltstaatsmann Trittin kompensierte die Bescheidenheit der Veranstaltungsumstände damit, dass er den Gastgeber Liebich ausführlich über seine Koalitionsfähigkeit belehrte: „Solange die Linkspartei die UNO unterstützt, aber einen UN-mandatierten Friedenseinsatz in Darfur ablehnt, wird es keine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb geben.“ Außen- wie EU-politisch sei die Linke im Off: „Über diesen Steg werden Sie gehen müssen, wenn Sie jemals in der Bundesrepublik Deutschland Verantwortung tragen wollen.“

Liebich bat zwar darum, zur Abwechslung doch auch einmal die Gemeinsamkeiten von SPD, Grün und Links zu suchen. Doch vergaß er dies selbst, nachdem die Reizwortkombination „Lafontaine“ und „Populist“ fiel. „Ich kenne komischerweise kaum einen Sozialdemokraten, der sich noch erinnern kann, dass der große Populist Lafontaine einmal der Kanzlerkandidat der SPD war“, sagte er.

Böhning rettete sich samt dem verletzten Stolz der deutschen Sozialdemokratie in die Geschichtsschreibung: Da die SPD übrigens 140 Jahre alt sei, „ist die SPD die Partei, die definiert, was soziale und ökologische Gestaltung ist“.

Auch Linke und Grüne seien gespalten in das Lager derjenigen, die nach nationalstaatlichen Lösungen für die soziale Frage suchten, und diejenigen, die die Globalisierung begriffen hätten. Er konnte den spontanen Unmut im Saal nicht eben dadurch besänftigen, dass er ergänzte: „Niemand glaubt doch hier im Raum, dass wir Rot-Rot-Grün kriegen, wenn die SPD bei den Wahlen nicht 32 oder 33 Prozent kriegt.“

Hier aber sprang Väterchen Trittin ihm bei: „Ohne eine sanierte, eine geheilte SPD stehen wir akut in der Situation, dass wir – mitten einer globalen Finanzkrise! – eine schwarz-gelbe Mehrheit kriegen.“

Möglicherweise könnte die Runde unter dem Titel „Rot-Rot-Grün – mit Ayurveda gegen Arroganz“ weitertagen. UWI