Haltung erfolgreich bewahrt

Nach dem Aufführungsverbot lud die Landesbühne zur Lesung aus „Warten auf Godot“

Ein Theaterskandal in Wilhelmshaven? Nein, verehrtes Publikum, mitnichten. Aber immerhin hat es die Landesbühne Nord geschafft, in der „New York Times“, dem „Daily Telegraph“ oder dem „The Star“ Erwähnung zu finden: Die Meldung, dass die Aufführung von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ in Wilhelmshaven verboten wurde, machte Medienkarriere. Der Grund für das Verbot: Die Landesbühne wollte zwei der Figuren mit Frauen besetzen – was Beckett noch zu Lebzeiten urheberrechtlich verboten hatte (taz berichtete).

Dabei sind weder der Versuch der Frauenbesetzung noch das drauffolgende Verbot etwas Neues. In Frankreich und den Niederlanden beispielsweise wurde das Aufführungsrecht mit weiblicher Besetzung schon mal vor Gericht erstritten. Allerdings mit der Auflage, zu betonen, die Inszenierung sei nicht im Sinn des Autors.

Wollten die Wilhelmshavener nun mit ihrem Vorhaben provozieren, eine Diskussion anstoßen über das Urheberrecht oder über Theaterästhetik? Nein. Das Verbot habe sie vollkommen überrascht, erzählt Landesbühnen-Intendant Gerhard Hess. Man war sich keines Risikos bewusst.

So weit der Prolog. Die statt der Premiere angesetzte Lesung entpuppte sich am Wochenende durchaus als absurdes Theater: Vor der Lesung öffnete sich der Vorhang und man durfte etwa eine halbe Minute das Bühnenbild bestaunen: ein in trostlosem Grau gehaltenes Appartment ohne Fenster. Dann geht der Vorhang zu, und alle Fragen bleiben offen. Spontaner Applaus.

Zwei Tische werden hereingetragen, vier Stühle, es folgen – in feierlichem Theaterschwarz gekleidet – Mathias Pantel (Wladimir), Katrin Rehberg (Estragon), Stefan Ostertag (Pozzo) und Sibylle Henning (Lucky). Sich penibel an die Auflagen einer Lesung haltend sitzen die Schauspieler in starrer Haltung, jeglichen Blickkontakt vermeidend, vor ihrem Skript, auf das hin und wieder obligatorisch gelinst wird.

Was wohl richtig anstrengend ist, denn schließlich haben die Akteure nach sechs Wochen Probenarbeit ihren Text intus – und nicht nur den, sondern natürlich auch alle ehemaligen Bühnenaktionen. Die Mienen indes sind nicht recht zu zügeln, sie sind sehr beredt und verleihen dem suggestiven Text einen eindrucksvollen Schliff.

Eine kurzweilige Lesung. Dazu trägt auch die Textfassung von Regisseur Philipp Kochheim bei, der im anschließenden Publikumsgespräch erzählt, viele der Beckett-Dialoge hätten ihn an die sinnlosen Zwiegespräche seiner Eltern erinnert. So sei er darauf gekommen, aus den clownesken Beckett’schen Männer-Paaren simple Ehepaare zu machen.

Intendant Hess beruft sich übrigens darauf, dass im Aufführungs-Vertrag nicht eindeutig drinstehe, dass die Rollen nicht mit Frauen besetzt werden dürfen. Der S. Fischer Verlag lässt daraufhin verlauten, man wolle zukünftig explizit darauf hinweisen. Daniela Barth