Gemeinsam rüsten, Geld sparen

Die 15 EU-Staaten geben für Rüstung nur halb so viel wie die USA allein aus. Doch mehr Mittel sind nicht da – und so wird nach anderen Wegen gesucht

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

„Mehr fürs Geld“ verspricht der für Industriepolitik zuständige EU-Kommissar Erkki Liikanen den Unionsbürgern. Es geht dabei nicht um Rindfleischqualität, sondern um Panzer, Aufklärungsflugzeuge oder Abwehrraketen: „Der Bürger muss für das Geld, das er mit seinen Steuern für die Sicherheit bezahlt, den größtmöglichen Mehrwert erhalten“, erklärte der Kommissar, als er am Dienstagabend in Straßburg die Vorschläge der Kommission für eine EU-Rüstungspolitik erläuterte.

Grundgedanke des 19-seitigen Papiers: Die nationalen Rüstungsindustrien sollen Geld und Know-how zusammenlegen und ihre Anstrengungen bündeln. Nur so könne Europa den Bedrohungen die Stirn bieten, die durch den 11. September deutlich geworden seien, und gleichzeitig gegenüber den USA eine eigenständige Rolle spielen.

Die Kommission will bis 2004 einen „Leitfaden zur Normung im Verteidigungsbereich“ herausbringen. Sie kündigt ferner Vorarbeiten für ein Forschungsrahmenprogramm im Rüstungsbereich an. Außerdem will sie Vorschläge machen, wie eine oder mehrere EU-Agenturen die Rüstungsindustrie auf europäischer Ebene zusammenführen könnten. In den zwischenstaatlichen Komitees will die Kommission künftig in Fragen der Exportkontrolle mitreden und auf einheitliche Vorschriften drängen. Ende 2004 sollen Vorschläge gemacht werden, wie der Handel liberalisiert werden kann. Denn derzeit sind Waffen, Munition und Kriegsmaterial laut Artikel 296 EG-Vertrag vom Binnenmarkt ausgenommen. Jedes Land kann den freien Warenaustausch aus Sicherheitsinteressen einschränken.

Die Ideen sind weit älter als die Anschläge aufs World Trade Center. Schon 1994 schrieben die Staats- und Regierungschefs Grundzüge einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den Maastricht-Vertrag. 1997 in Amsterdam wurde der Plan ausgefeilt. Damals entwickelte Kommissar Martin Bangemann ein Konzept, wie die Kräfte in der Rüstungsindustrie gebündelt werden könnten.

Bis heute ist davon nichts umgesetzt. Nationale Verteidigungsbudgets werden gekürzt, ohne dass gleichzeitig ein Spareffekt durch Gemeinschaftsprojekte erkennbar wäre. Dass Europa in diesem Bereich weit abgeschlagen ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: 390 Milliarden US-Dollar werden jährlich vom amerikanischen Staat in die Rüstung gesteckt. Alle 15 EU-Regierungen zusammen geben noch nicht einmal die Hälfte aus. Die Forschungsgelder für Verteidigung sind in den USA fünfmal so hoch wie in der Union.

Sogar das Europaparlament, das sich in seinen Resolutionen regelmäßig gegen Kriegstreiberei und für Konfliktprävention ausspricht, hat letzten April mehr gemeinschaftliche Anstrengungen in der Rüstungspolitik angemahnt. Die neue Mitteilung der Kommission greift diese Forderung auf – aber nur in sehr zurückhaltender Form. Sollte man mittelfristig eine Rüstungsagentur gründen wollen, um ein harmonisiertes Regelwerk zu schaffen, „müsste dabei die politische Entscheidung der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, viel von dieser Arbeit weiterhin außerhalb der bestehenden EU-Verträge zu erledigen“.

Ob angesichts nationaler Eifersüchteleien die 60.000 Mann starke EU-Truppe wie geplant noch im Laufe dieses Jahres einsatzbereit sein wird, steht in den Sternen. Und schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Erweiterung um zehn neue Mitglieder die eigenständige EU-Verteidigungspolitik zunächst weiter schwächen wird. Im Januar wurde bekannt, dass Polen 48 F-16-Kampfflugzeuge in den USA kaufen will.

Das erzürnt vor allem Jacques Chirac, der fest mit einem neuen Kunden für das EU-Gemeinschaftsprodukt Eurofighter gerechnet hatte. Doch auch Paris liegt beim Thema Rüstung „la Patrie“ näher als „l’union“. Beim Schützenpanzer GTK – so ein hartnäckiges Gerücht – hätten sie sich aus der Gemeinschaftsproduktion zurückgezogen, sobald sie das Know-how der Bündnispartner sicher in den Schubladen ihres Rüstungskonzerns Giat verstaut hatten.