Militäroffensive in Sri Lanka gescheitert

Die Regierungstruppen können trotz viel höherer Feuerkraft nicht den angestrebten schnellen militärischen Sieg über die Hochburg der Tamil Tigers erringen. Die Leidtragenden sind vor allem die rund 200.000 Zivilisten im Rebellengebiet

Die Rebellen halten Zivilisten fest, um sich vor Bombardements zu schützen

AUS TRINCOMALEE RALF LEONHARD

Zweieinhalb Kilometer vor Kilinochchi steht Sri Lankas Armee nach eigenen Angaben bereits seit zwei Monaten. Bisher gelang es ihr aber nicht, die „Hauptstadt“ der tamilischen LTTE-Rebellen zu erobern. Der starke Monsunregen und die heftige Gegenwehr der Rebellen stoppten den Vormarsch. Die angestrebte schnelle militärische Lösung des seit 25 Jahren tobenden ethnischen Konflikts hält nicht mal mehr Armeechef Sarath Fonseka für möglich. Selbst wenn Kilinochchi falle, werde die LTTE jahrelang als Guerilla weiterkämpfen können.

Die Rebellen zeigen auch mit Attentaten im Süden und Osten, dass sie weiterhin fast überall zuschlagen können. Und ihre „Luftwaffe“ aus zwei tschechischen Kleinflugzeugen konnte kürzlich Colombos Umspannwerk bombardieren und so die Hauptstadt in Dunkelheit hüllen.

Immer unerträglicher wird die Lage für 200.000 Zivilisten, die noch im LTTE-Gebiet leben. Sie sind ständig auf der Flucht vor Luftangriffen und Artilleriefeuer. Ihre Versorgungslage wird immer kritischer. Die Armee lässt weder Lebensmittel noch Medizin durch. Die LTTE lässt die Menschen nicht ziehen, denn sie bieten einen gewissen Schutz vor Flächenbombardements. Die Menschen wollen sich auch nicht der Regierung ausliefern, da sie mit einer Behandlung als Feinde rechnen müssen. Tausende Flüchtlinge aus dem Bezirk Mannar waren interniert worden.

Mit dem Waffenstillstandsabkommen vom Februar 2002 war der Status quo der kontrollierten Gebiete eingefroren worden. Die LTTE hielt den strategischen Elefantenpass zur Halbinsel Jaffna im Norden und das dünn besiedelte Vanni-Gebiet mit Kilinochchi als Verwaltungssitz, zudem einige Gebiete im Osten, meist abseits der Küste. Den Osten hat die Armee mit Hilfe von LTTE-Dissidenten unter „Oberst Karuna“ schon 2006 erobert. Karunas Partei TMVP wurde mit politischer Repräsentanz belohnt. Im Norden begann die Offensive nach der Aufkündigung des Waffenstillstands durch die Regierung Mitte Januar. Die überlegene Feuerkraft, unerschöpflicher Waffennachschub aus China und Pakistan sowie die Überwachung der maritimen Versorgungsrouten der LTTE durch Indien sollten der Regierung die militärische Lösung eines Konflikts ermöglichen, den sie politisch nicht beilegen konnte.

Die einheimischen Medien berichten über den Krieg vor allem in Form von Erfolgsberichten aus dem Verteidigungsministerium. Journalisten werden nicht an die Front gelassen. Die der LTTE nahestehenden Internetseiten sind in Sri Lanka blockiert. Die elektronischen Medien können mit einem neuen Gesetz geknebelt werden, wenn sie Unerwünschtes berichten. Im Lande selbst ist daher wenig über die humanitäre Katastrophe im Vanni bekannt. Solidaritätsbekundungen mit der leidenden tamilischen Bevölkerung bleiben so aus. Im Gegensatz dazu setzen die 60 Millionen Tamilen im südindischen Tamil Nadu ihre Zentralregierung unter Druck. Außenminister Pranab Mukherjee zitierte Präsident Mahinda Rajapakses Bruder und Berater Basil Rajapakse nach Neu-Delhi und diktierte ihm Indiens Bedingungen für eine weitere Unterstützung: Keine Flächenbombardements mehr, keine weiteren Attacken auf indische Fischer in sri-lankischen Gewässern, Anbahnen einer politischen Lösung des Konflikts und humanitäre Hilfe für eingeschlossene Zivilisten. Für Letztere versprach Indien 800 Tonnen Lebensmittel.

Während Außenminister Rohitha Bogollagama noch in Interviews schwadronierte, in Sri Lanka gebe es keinen ethnischen Konflikt, nur ein Terrorismusproblem, schlug Präsident Rajapakse plötzlich sanftere Töne an und sprach von einer „politischen Lösung für ein politisches Problem“ in einem „ungeteilten Staat“. Die kompromisslose Vokabel „Einheitsstaat“ gehört nicht mehr zum offiziellen Wortschatz. Konkrete Vorstellungen, wie eine politische Lösung aussehen könnte, hat Rajapakse aber noch nicht entwickelt.