Serbiens Premier ermordet

Attentat auf Zoran Djindjić: Unbekannte erschießen den serbischen Regierungschef vor seinem Regierungssitz. Ausnahmezustand verhängt. Vizeministerpräsident übernimmt Amtsgeschäfte

BELGRAD/BERLIN ap/rtr/taz ■ Serbiens Regierungschef Zoran Djindjić ist bei einem Anschlag getötet worden. Der 50-jährige Politiker erlag trotz Notoperation in einem Belgrader Krankenhaus gestern um 13.30 Uhr seinen Schussverletzungen.

Unbekannte Attentäter hatten gestern Vormittag laut Augenzeugenberichten vom früheren Sitz der Streitkräfte aus mehrere Schüsse aus einer großkalibrigen Waffe auf Djindjić abgegeben, als dieser das Regierungsgebäude betreten wollte. Dabei sei er von mehreren Kugeln in Bauch und Rücken getroffen worden. Bei der Schießerei wurden auch zwei Leibwächter verletzt. Die Polizei nahm zwei Verdächtige fest. Autos und Passanten im Zentrum der Stadt wurden durchsucht und alle Abflüge vom Belgrader Flughafen, alle Züge und Busse gestoppt.

Die Regierung kam zu einer Krisensitzung zusammen. Am frühen Abend verkündete die amtierende Parlamentspräsidentin Nataša Mičić den Ausnahmezustand. Laut Verfassung soll die Armee des gemeinsamen Staates Serbien und Montenegro praktisch die Aufgaben des serbischen Innenministeriums und der Polizei übernehmen.

Eine dreitägige Staatstrauer wurde angeordnet. Ein Sprecher der regierenden DOS-Koalition teilte mit, der stellvertretende Ministerpräsident Nebojša Čović habe zunächst die Amtsgeschäfte von Djindjić übernommen.

Laut eigenen Angaben war Djindjić bereits mehrmals bedroht worden. Auch im Februar war offenbar ein Attentat auf ihn versucht worden. Am 21. Februar konnte eine Kollision von Djindjić’ Autokonvoi mit einem Lastwagen in letzter Sekunde vermieden werden. Djindjić hatte danach geäußert, dass der Zwischenfall mit seiner Regierungspolitik zusammenhängen könnte, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Dieses hatte während der Regierungszeit des früheren Präsidenten Slobodan Milošević eine Blütezeit erlebt. Zudem nannte Djindjić den Attentatsversuch ein „nutzloses Unterfangen“, um den demokratischen Reformprozess zu stoppen.

Regierungsvertreter in aller Welt äußerten sich schockiert über die Tat. Einhellig wurden Djindjić’ Verdienste um die Demokratie in Serbien gewürdigt. Djindjić sei ein „Hoffnungsträger für die Menschen in seinem Lande gewesen“, sagte etwa Bundeskanzler Gerhard Schröder.

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