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: Heimwerkermärkte verbessern entscheidend die individuelle Lebenssituation, haben aber auch ihre Tücken

Ein Krieg, ein Boom, eine Entfremdung

Begeben wir uns heute einmal in einen Heimwerkermarkt, um nach Dingen Ausschau zu halten, die die individuelle Lebenssituation entscheidend verbessern. Denn gerade in Vorkriegszeiten wie diesen, da alles darauf hindeutet, dass die Welt bald ins Chaos stürzt, scheint die ordnungsgemäße Instandsetzung der unmittelbaren häuslichen Umgebung so wichtig wie selten. Jeder tut eben, was er kann.

Doch bieten Heimwerkermärkte nicht nur allerhand Gerätschaften, die der fortschreitenden Unordnung Einhalt gebieten, sondern sie stellen auch ein Abenteuer dar, das sich der moderne Mensch nur noch selten gönnt. Zwar sind es nicht die relativ bekannten Dinge wie Nägel, Schrauben, Dübel, Hämmer, Kneifzangen, Spachtel, Feilen, Sägen, Bohrmaschinen, Wasserwaagen, Raufasertapeten, Farben, Lacke oder Pinsel in den unterschiedlichsten Größen, die selbst gefestigtere Menschen vorübergehend den Boden unter den Füßen verlieren lassen, sondern es ist die Frage ihrer fachgerechten Anwendung.

Wie faltet man zum Beispiel eine Tapete, damit man sich beim Tapezieren nicht mit Kleister beschmiert? Weil er die korrekte Antwort nicht wusste, ging der Gelegenheitsheimwerker in den letzten Jahren dazu über, die Wände meist untapeziert zu lassen. Weil ihm die Technik zur fachgerechten Wandverspachtelung nicht geläufig war, malte er auf den Putz. Weil es sich auf den Putz aber nur schlecht gleichmäßig und deckend malen ließ, entwickelte er die so genannte Schwammtechnik, um die Wände mit einem fröhlich bunten Wischiwaschi zu färben – eine folgenreiche Kreativleistung, die aber in erster Linie auf Unkenntnis beruht und so die Kulturlosigkeit zur neuen Kultur erhob.

Da der Gelegenheitsheimwerker im Heimwerkermarkt auf sich selbst zurückgeworfen wird, macht er die Unwissenheit zu seiner Handlungsgrundlage. Heimwerkermärkte handeln in diesem Sinne also nur scheinbar von der tatsächlichen Verbesserungen der individuellen Lebensituation, sie handeln vielmehr von dem Versprechen. Doch da sich das Versprechen meist nur bei Profi-Heimwerkern einlöst, die im Vergleich zu Gelegenheitsheimwerkern allerdings deutlich in der Unterzahl sind, handeln Heimwerkermärkte auf einer ganz anderen Ebene von dem falschen Gebrauch der Mittel. Sie leben gewissermaßen davon. Denn während der Einzelhandel über rückläufige Umsätze klagt, scheint der Zulauf bei Heimwerkermärkten trotz und gerade aufgrund der Rezession ungebrochen.

Eine interessante Beobachtung, die sich zum einen in dem Umstand begründet, dass der Gelegenheitsheimwerker stets mehr einkauft, als er eigentlich braucht – zunächst Dinge, die sich für seine Zwecke als untauglich erweisen, und erst hinterher die richtigen; die zum anderen aber anhand des gegenwärtigen Niveaus der Stundenlöhne zwangsläufig ist. Einen Handwerker kann man sich heute kaum noch leisten. Und dieser Punkt ist in der Diskussion der eigentliche Skandal: dass man aus der jahrhundertelang hart erarbeiteten Entfremdung entrissen wird; dass die schönen Errungenschaften der arbeitsteiligen Gesellschaft aufgrund instandsetzungsbedürftiger Wohnungen ausgehebelt werden; dass man gezwungen wird, alles selbst zu machen, obwohl man es weder kann noch mag. Das ist nicht nur unbequem, sondern birgt auch die Gefahr, dass fehlerhaft renovierte Wohneinheiten so lang von einem Dilettanten zum anderen übergeben werden, bis alles zusammenbricht, was man sich aufgebaut hat. HARALD PETERS