Stralsunds Sparkasse steht nicht zum Verkauf

Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern stoppt die Privatisierungspläne des Stralsunder Bürgermeisters

HAMBURG taz ■ Der Waffenstillstand zwischen Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung und Oberbürgermeister Harald Lastovka ist beendet. Der CDU- Politiker aus Stralsund will erstmals in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte eine staatliche Sparkasse privatisieren, sehr zum Ärger der rot-roten Koalition in der Hauptstadt Schwerin. Die Privatisierungspläne sind nun zunächst gescheitert: Nach fünfwöchiger Denkpause stoppte das Innenministerium gestern den Stralsunder Bürgermeister per Dienstanweisung.

Hoch im Norden arbeitet Oberbürgermeister Lastovka schon seit Monaten an der Privatisierung „seiner“ Sparkasse Hansestadt Stralsund (SHS) und ihrer sieben Geschäftsstellen. Eigentümerin ist bislang die Stadt. Der Ostsee-OB will das Geldinstitut jedoch meistbietend auf dem freien Markt versteigern. Lastovka begründet seine Verkaufspläne mit der knappen Haushaltskasse in der nur noch 60.000 Einwohner zählenden Hansestadt, jeder Vierte ist heute arbeitslos. Einst hatten 80.000 Menschen dort gelebt. Stralsunds Bürgermeister rechnet unterm Strich mit höheren Einnahmen, wenn eine private Bank die Sparkasse einkauft. Der OB hofft dabei, dass auch ein profitorientierter Käufer seine Bürger so umfassend mit Finanzdienstleistungen versorgt wie die gemeinwohlverpflichtete Sparkasse, die ansonsten finanziell als durchaus gesund gilt. Der zweiköpfige Sparkassen-Vorstand, der sich offenbar einer Privatisierung wiedersetzte, wurde bereits entlassen. Mitte Dezember stimmte die Bürgerschaft dann den OB-Plänen mit den Stimmen von CDU und örtlicher SPD mehrheitlich zu, Commerzbank und die schwedische SEB-Bank signalisierten Kauflust.

Die erste Privatisierung einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse stieß allerdings bei den Sparkassenverbänden und der Regierung Mecklenburg-Vorpommerns auf Widerstand. Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) behauptete zunächst siegesgewiss: „Einen Verkauf der Sparkasse erlaubt das Sparkassengesetz nicht.“ Aber als ganz so eindeutig entpuppte sich die Rechtslage ausgerechnet in diesem Bundesland dann doch nicht, zumindest wollen Landes-SPD und PDS eine „Lex Stralsund“ erlassen, um ein mögliches Schlupfloch zu schließen. Kurz vor Weihnachten hatten Landesregierung und Bürgermeister dann einen Waffenstillstand geschlossen, der bis gestern andauerte. Eigentlich, denn Bürgermeister Lastovka brach den Frieden bereits vergangenen Freitag mit einem Klageschreiben an die Europäische Kommission und ihren Wettbewerbskommissar Frits Bolkestein. Sein Argument: Ein Verbot durch die Landesregierung in Schwerin gefährde den freien Wettbewerb in Deutschlands Finanzwelt. Die Beschwerde bei der EU bringt den Stein nun gegen alle 500 Sparkassen und Landesbanken ins Rollen.

Aber darum geht es ohnehin. Alle Beteiligten wissen, dass in der Provinzstadt ein bundesweites Exempel statuiert werden soll. 2005 laufen auf Druck der EU-Kommission die staatlichen Garantien für alle Sparkassen aus. Die Konzernstrategen bei der Deutschen Bank oder Citibank spielen längst mit dem Gedanken, sich durch den Kauf von Sparkassen größere Marktanteile zu erwerben. Bankenverbandspräsident Rolf Breuer fordert kategorisch, dass die Sparkassen privatisiert werden „müssen“, damit der deutsche Bankenmarkt entkrustet werde.

Solche Träume sind in Stralsund nun erst einmal geplatzt: „Die Veräußerung einer Sparkasse ist nach den geltenden Bestimmungen nicht möglich“, hat das Innenministerium in Schwerin endgültig beschlossen, daher sei schon die Prüfung einer Privatisierung rechtswidrig. Doch damit wird sich wohl weder Stralsunds Bürgermeister noch EU-Kommissar Bolkestein zufrieden geben. Der Sparkassen-Streit geht weiter.

HERMANNUS PFEIFFER