Russland verhaftet Anti-Atom-Aktivisten

Demonstration gegen Atommülltransport aus Ungarn. WAA Majak soll trotz entzogener Lizenz wieder arbeiten

BERLIN taz ■ Fünfzehn von zwanzig Vertretern diverser Umweltorganisationen der Russischen Föderation wurden gestern vor der ungarischen Botschaft in Moskau von der Polizei festgenommen. Sie hatten versucht, mit Losungen wie „Atommüll, nein danke!“ eine Mahnwache abzuhalten. „Wir hatten nur zwanzig Leute hingeschickt, weil die Behörden die Demo verboten hatten“, erklärte Wladimir Sliwjak von der Umweltschutzorganisation Ecodefense: „Die restlichen fünf entgingen der Verhaftung, weil sie sich gerade mit dem Botschafter unterhielten.“ Anlass für die Demo: Mitte dieses Monats will das russische Atomministerium (Minatom) über den Transport ungarischen Atommülls nach Russland mit Vertretern des ungarischen Atomkraftwerkes Paks verhandeln. Dort lagern zur Zeit etwa 12.000 Container mit Atommüll, von denen die ersten schon bald die Reise zur Wiederaufbereitungsanlage (WAA) Majak im Ural antreten sollen.

Der nahe der Stadt Tscheljabinsk gelegenen berüchtigten Wiederaufbereitungsanlage hatte die russische Atomaufsichtsbehörde zu Jahresbeginn die Lizenz entzogen, weil sie seit Jahren flüssige nukleare Abfälle in die Gewässer der Umgegend einleitet. Dies ist nach dem russischen Umweltschutzgesetz strikt verboten. Ende Februar wurde aber bekannt, dass Majak trotzdem seine Lizenz auf Zeit zurückerhalten hat. Die Fabrik soll nun für die Verklappung in Flüsse und Seen innerhalb von fünf bis sieben Jahren Alternativen schaffen. Einem UN-Gutachten zufolge ist das Gelände um Majak das am stärksten atomar verseuchte Territorium des Planeten.

Bei der Wiederaufbereitung einer Tonne verbrauchten atomaren Brennstoffs werden bei Majak 150 Tonnen anderes Material verbraucht und dabei – wenn auch nur schwach – verstrahlt. Die Demonstranten erklärten gestern, die geplanten Transporte stellten geradezu eine Einladung für Terroristen dar. Die Atommüllzüge aus Ungarn müssten auf dem Weg in den Ural mehrere osteuropäische Länder und dann 15 der größten russischen Städte passieren.

Die russische Regierung hat 2002 ein Gesetz durchgepeitscht, das den Import nuklearer Abfälle generell gestattet, nicht nur zur Wiederaufbereitung, sondern sogar zwecks Endlagerung. Da sich 90 Prozent der Bevölkerung gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben, werden seither Anti-Atom-Kundgebungen konsequent unterdrückt.

Bereits 1997 hatte das Minatom mit Ungarn einen Vertrag geschlossen, demzufolge 3.500 Container mit verbrauchten Brennstäben nach Russland starten sollten. Doch der Transport verzögerte sich, und 2002 verbot ihn das Oberste Gericht der Russischen Föderation, weil einige der dafür vorgeschriebenen Gutachten fehlten. BARBARA KERNECK

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