Düstere Aussichten

Nach Djindjić’ Tod hat Serbien weder Premier noch Staatsoberhaupt. Seine Nachfolger werden kaum so reformorientiert arbeiten wie er

BELGRAD taz ■ Nach dem tödlichen Anschlag auf Zoran Djindjić übernahm sein energischer Vizepremier Nebojša Čović die Führung der serbischen Regierung. Čović ist geschickt, erfahren und mutig genug, um mit einer Krisensituation zurecht zu kommen. So weit, so gut. Doch Čović war nicht nur einer von Milošević’ Mitläufern bis zum Jahr 1996, er rangierte auch sehr hoch in der Hierarchie der damals herrschenden Sozialistischen Partei Serbiens. Und Čović steht an der Spitze einer marginalen Partei, die kaum mit mehr als 3 Prozent der Wähler rechnen kann. Es ist kaum anzunehmen, dass ihn die anderen Parteien der DOS-Koalition auf Dauer als Premier akzeptieren würden.

Djindjić regierte außerdem mit einer hauchdünnen Parlamentsmehrheit, die er Dank seines politischen Geschicks und seiner Autorität immer wieder bestätigen konnte. Nach Djindjić’ gewaltsamem Tod ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich die Mehrheit der DOS im Parlament halten wird.

Ohne Djindjić sind vorgezogene Parlamentswahlen in Serbien, das nun weder einen Präsidenten noch einen Ministerpräsidenten hat, wahrscheinlich geworden. Allen Meinungsumfragen zufolge würden die rechtskonservativen, nationalistischen Kräfte, versammelt um den ehemaligen Staatspräsidenten Vojislav Koštunica die Mehrheit gewinnen. Und sie haben nicht die Kraft, und vielleicht auch nicht den Willen, mit dem organisierten Verbrechen abzurechnen. Und schon gar nicht dazu, vom Haager Tribunal angeklagte mutmaßliche Kriegsverbrecher wie den bosnisch-serbischen General Ratko Mladić festzunehmen und der UN-Justiz zu übergeben. Die Mafia hat nicht nur ihren Hauptfeind getötet. Sie hat sich gleichzeitig eine politische Perspektive geschaffen, in der sie sich weniger bedroht fühlen muss. ANDREJ IVANJI