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: Gutes Programm, leider zu spät

Kanzler Schröder und Edelgard Bulmahn, seine Frau für die Zukunft, haben gestern alles richtig gemacht – fast. Sie haben den mäandernden rot-grünen Reformbemühungen ein Ziel gegeben, Bildungsministerin Bulmahn würde es eine „Mission“ nennen: Statt weiter die Vergangenheit zu subventionieren, alte Industrien zu unterstützen und allzu fürsorgliche Absicherungen bereitzuhalten, sollten wir besser in die Zukunft investieren. Kurz gesagt: Diese Gesellschaft sollte sich intensiver über ihre Köpfe und ihre Kreativität streiten – und weniger enthusiastisch Arztpauschalen oder Rentenmoratorien diskutieren.

KOMMENTARVON CHRISTIAN FÜLLER

Die gestrige Ankündigungslawine unter dem sperrigen Titel „Deutschland. Das von morgen“ hat dennoch ein Problem: Sie kommt zu spät. Warum sollten junge, ehrgeizige, zukunftswillige Leute der SPD das Motto Innovation im Jahre 2004 abkaufen, wenn es dieses Leitmotiv 1998 schon einmal gab. Damals versprach Schröder der viel beschworenen „neuen Mitte“ Innovation und Gerechtigkeit.

Nicht wenige hatten ihm geglaubt, weil das SPD-Duo Lafontaine & Schröder einen guten Mix aus Old Labour und New Labour versprach. Doch diese New-Economy-geprägte Zukunft ist schon längst Geschichte. Schröders Spindoctors haben sich seitdem so oft um die eigene Achse gedreht, dass keiner mehr weiß: Wohin blinken die eigentlich? Wo wollen die hin?

Die jetzige Innovationsoffensive ist die schwierige Geburt eines Lernprozesses durch Regieren. Sechs Jahre, Dutzende von Rücktritten und unzählige handwerkliche Fehler später fällt Schröder und den Seinen ihr alter Leitspruch wieder ein. Aber jetzt ist es zu spät. So beeindruckend etwa die intellektuelle Metamorphose eines Franz Müntefering vom Parteisoldaten zum gesellschaftlichen Vordenker sein mag – heute fehlen überall Emphase mit dem und Vertrauen in das Programm von Rot-Grün.

Dazu tragen nicht allein die schwachen Sozialdemokraten bei. Die Grünen, der angebliche Reformmotor dieser Regierung, sind eine komplette Fehlanzeige auf dem Feld der Innovation. Der an sich intelligentere Partner in der Regierung hatte das Thema „Bildung und Wissenschaft“ ganz oben auf seiner Agenda. Hatte, jahrelang. Heute geht da gar nichts mehr. Selbst der „Faule-Säcke-Kanzler“ kann fehlerfrei über den Pisa-Schock referieren. Aber die Grünen senden auf diesem Schirm nur ein Standbild aus dem Jahr 1990.