PETER AHRENS über PROVINZ
: Cops Collect – Kambodschas Mautsystem

Kambodscha freut sich immer über ausländische Gäste. Für spezielle Unterhaltung sorgen kreative Ordnungshüter

Es gibt doch noch üblere Jobs, denn als Schreiber einer Tageszeitung Wahlkampfveranstaltungen von Ronald Schill besuchen zu müssen. Postbote in Kambodscha zu sein, zum Beispiel. In diesem Land hat jeder Haushalt das Recht, sich seine eigene Hausnummer selbst auszusuchen.

Und da die 9 als Glückszahl in jenen Breiten gilt, finden sich allein auf dem die Hauptstadt Phnom Penh von Nord nach Süd durchschneidenden Monivong Boulevard ungefähr 30 Adressen mit der Hausnummer 9. Die 19, die 29 und die 99 kommen auch noch ein paarmal vor. Was das Orientieren in dieser Stadt nicht unbedingt erleichtert.

Orientierung ist wahrhaft nicht das einzige Problem in diesem bemerkenswerten Land, in das es mich für ein paar Wochen verschlagen hat. Wobei hier mal überhaupt nicht von verseuchtem Federvieh die Rede sein soll. Viel eher von dem, was in Fernsehberichten im ZDF-Auslandsjournal wahrscheinlich vornehm-diskret als „ein Land der Gegensätze“ tituliert werden würde.

Ein Handyshop drängelt sich an den nächsten, Internet-Cafés erleben einen regelrechten Boom. Eine Handvoll Neureicher baut sich ihre Protzpaläste am Stadtrand. Aber wenn die Touristen in ihrem klimatisierten Kleinbus ans Seeufer gekarrt werden, um dort für 20 Dollar eines der flotten Expressboote zwischen der Hauptstadt und dem Tempelwunderwerk von Angkor zu besteigen, geht die Fahrt kilometerweit durch ein Spalier zusammengezimmerter Bretterbuden. Die einzige Energiequelle dort ist ein erbärmliches Feuerchen, vor dem die vielen Kinder sitzen, die den Touristenbussen nachschauen.

Gut ist es in diesem Zusammenhang zu erfahren, dass „Armut in diesen Ländern einen ganz anderen Stellenwert hat und von den Menschen gar nicht als solche wahrgenommen wird“, wie mich ein deutscher Tourist belehrte und damit natürlich extrem beruhigte. Schließlich nannte der Deutsche sich einen erfahrenen Asienreisenden – dann muss er es ja wissen.

Mir fällt dabei die Studie ein, die ein wohlbestallter englischer Universitätsprofessor einmal veröffentlicht hat. Danach hatte er nach intensiven Recherchen vermutlich in der British Library herausgefunden, dass die glücklichsten Menschen auf dieser Erde in Bangladesch wohnen. Begründung: weil die Leute dort einfach froh seien, dass sie beim Aufwachen noch am Leben sind.

Die 20 Dollar für die Bootstour – das entspricht ungefähr dem, was ein kambodschanischer Polizist im Monat verdient. Logisch, dass die Ordnungshüter von Phnom Penh sich denn auch etwas einfallen lassen müssen, um ihr Gehalt aufzubessern.

Also wird jeder Westler, der den Fehler macht, auf dem Motorrad unterwegs und dabei als Nicht-Kambodschaner kenntlich zu sein, erst einmal polizeilich gestoppt. Dann wird er selbstverständlich mit einem Lächeln darauf hingewiesen, dass er diese Straße verbotenerweise befahren hat. Das lahme Gegenargument, dass man diese Straße doch seit Tagen ungestört benutzt und bisher niemals die Rede von einem Verbot war, wird geflissentlich ignoriert und der vermeintliche Verstoß gegen die kambodschanische Straßenverkehrsordnung mit fünf Dollar Strafe geahndet.

Bei der nächsten Polizeikontrolle ist das Motorradlicht nicht ganz korrekt eingestellt oder der Gepäckträger zu niedrig angebracht – die Strafe beläuft sich wundersamerweise jeweils auf fünf Dollar.

Eine Bekannte, die in Phnom Penh lebt, erzählte uns, dass ein Freund von ihr vor einiger Zeit einen Motorradunfall hatte und danach kurz in Ohnmacht gefallen war. Als er wieder wach wurde, war nicht nur sein Motorrad Schrott, auch seine Brieftasche war weg, aber ein freundlicher Polizeibeamter beugte sich über ihn und erkundigte sich nach seinem Befinden. So kommt man als Freund und Helfer doch noch auf seinen monatlichen Schnitt.

Kambodscha freut sich immer über Besuch ausländischer Gäste, lässt der Tourismusverband mitteilen. Mir ist jetzt klar, wie das gemeint ist.