Widersacher „ruhig stellen“ als Grundsatz

Der serbische Clan-Chef Milorad Luković, „Legija“, soll hinter dem Attentat auf Premier Zoran Djindjić stecken

„Jedes Volk verehrt seine Soldaten. Deshalb ist die nationale Würde, die ich in mir trage, der Maßstab meines Lebens“, sprach Milorad Luković, genannt „Legija“. Als jungen Mann zog es Milorad Ulemek in die weite Welt. Der gebürtige Belgrader versuchte es mit der Musik, musste jedoch einsehen, dass das nicht seinem Charakter entsprach. Er fühlte sich zu Höherem berufen. So verließ er seine Heimat und schloss sich der Fremdenlegion an, in der er sieben Jahre verbrachte. Dort erhielt er seinen Spitznamen „Legija“ (Legion) und die denkbar beste Ausbildung in der Kampf- und Kriegskunst.

Als Slobodan Milošević den nationalistischen Wahnsinn auslöste und der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach, kehrte Ulemek 1992 heim, um für „Volk und Vaterland“ zu kämpfen. Inmitten des serbischen Nationalismus heiratete Milorad und nahm den Familiennamen seiner Frau an – Luković klang serbischer. Er bekam einen Sohn, ließ sich scheiden, heiratete wieder und bekam noch ein Kind.

Doch was ihn ganz in Beschlag nahm, war der Krieg. Er schloss sich der „Serbischen Freischärlergarde“ von Zeljko Raznatović, genannt „Arkan“, an. In der paramilitärischen Truppe führte er strengste Disziplin und die Ausbildungsmethoden der Fremdenlegion ein. Die Einheit wurde bei Kriegshandlungen in Kroatien und Bosnien eingesetzt.

Legija bewährte sich als Kriegskommandant: Seine Leute fürchteten und verehrten ihn, er prahlte mit seinem Mut. Nach der Auflösung dieser Einheit engagierte ihn eine Spezialeinheit des serbischen Geheimdienstes. Die „Roten Barettas“ nannte sich die berüchtigte Truppe, deren Kommandeur Legija wurde. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, lautete Legijas Credo: Und wer gegen Legija war, der wurde ruhig gestellt.

„Ruhig stellen“ war einfach für Legija. Feinde und Widersacher verschwanden, und niemand traute sich zu fragen. Es war eben Krieg, und Legija genoss Schutz von ganz oben. Immer mehr Freunde schlossen sich ihm an, und er konnte sich auf seine Adlaten verlassen. Unter dem Banner des Patriotismus marschierte Legija hin zu Macht und Reichtum. Man vermutete ihn an der Spitze der als der „Clan von Zemun“ bekannten Verbrecherorganisation. Man fragte nicht, fragen war gefährlich. Die „Roten Berettas“ war die bestausgebildete und -ausgerüstete, die gefährlichste und meistgefürchtete Spezialeinheit der serbischen Streitkräfte.

Legija erkannte rechtzeitig, dass es mit Milošević zu Ende ging. Vor dem Volksaufstand im Oktober 2000 wechselte er zu Zoran Djindjić. Man arrangierte sich: Legija versprach, nicht auf das Volk zu schießen, dafür versprach ihm Djindjić Schutz nach der Wende. Die Nachkriegszeit machte Legija nervös. In der Provinzstadt Kula, wo seine Einheit ihr Hauptqurtier hatte, zerschoss er eines Abends vor Langeweile im Suff eine Diskothek. Nach mehreren solchen Vorfällen musste Djindjić wieder mit ihm dealen: Legija wurde in den Ruhestand versetzt, Schutz vor dem UN-Tribunal wurde ihm abermals zugesichert.

Legija widmete sich ganz seinem Clan aus Zemun. Der Druck der Staatengemeinschaft auf Djindjić, mutmaßliche Kriegsverbrecher dem UN-Tribunal zu überstellen, wurde stärker. Und Legija reagierte wohl, wie er es gewohnt war: Er liquidierte seinen Widersacher.

ANDREJ IVANJI