: Was der Kanzler ändern will
Bundeskanzler Schröder kündigte gestern für die Arbeitslosen die einschneidendsten Kürzungen der letzten Jahrzehnte an. Danach soll die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Empfänger unter 55 Jahren auf zwölf Monate beschränkt werden. Wer älter als 55 Jahre ist, soll künftig nur noch Anrecht auf höchstens 18 Monate Arbeitslosengeld haben.
Diese Kappung betrifft vor allem die Älteren. Denn bisher erhalten Arbeitslose unter 45 Jahren ohnehin nur maximal 12 Monate Arbeitslosengeld. Die Bezugsdauer steigt dann stufenweise auf bis zu 32 Monate für die über 57-Jährigen. Diese verlängerte Bezugsdauer für Ältere wurde 1988 unter der Regierung Kohl eingeführt.
Nach Ablauf des Arbeitslosengeldes erhielten Joblose bislang Arbeitslosenhilfe. Diese Leistung will Schröder abschaffen. Arbeitslose rutschen künftig nach einem Jahr Erwerbslosigkeit automatisch in das so genannte Arbeitslosengeld II. Es wird Langzeitarbeitslosen und erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern gleichermaßen gewährt und soll „in der Regel“ auf Sozialhilfeniveau liegen, kündigte Schröder an. Das Sozialhilfeniveau beträgt inklusive der Wohnkosten derzeit etwa 600 Euro.
Für die schätzungsweise eine Millionen „arbeitsfähigen“ Empfänger von Sozialhilfe sollen künftig nicht mehr die Städte und Gemeinden, sondern die Arbeitsämter zuständig sein.
Schröder kündigte an, die Hinzuverdienstgrenzen für Langzeitarbeitslose zu lockern. „Für eine bestimmte Zeit“ sollten Langzeitarbeitslose, die eine Beschäftigung aufnehmen, deutlich „mehr als die bisherigen 15 Prozent der Transfers“ anrechnungsfrei behalten können. Das hilft allerdings nur den bisherigen Sozialhilfeempfängern: Sie können bisher maximal 15 Prozent der Sozialleistung anrechnungsfrei hinzuverdienen. Bei Arbeitslosenhilfeempfängern liegt die Grenze ohnehin schon bei 20 Prozent.
Bundeskanzler Schröder will den Kündigungsschutz lockern. Bisher gilt der Kündigungsschutz nur bei Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern. Künftig sollen bei der Erhebung der Mitarbeiterzahl Beschäftigte mit befristeten Verträgen nicht mitgerechnet werden. Auch sollen Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung die Wahl haben, eine festgelegte Abfindung zu akzeptieren oder gegen die Kündigung zu klagen. Unternehmensleitungen sollen außerdem künftig mit dem Betriebsrat Vereinbarungen treffen können, in denen bei betriebsbedingten Kündigungen nicht nur soziale Kriterien wie Betriebszugehörigkeit und Alter beachtet werden, sondern auch das betriebliche Interesse an bestimmten Mitarbeitern berücksichtigt wird.
BARBARA DRIBBUSCH
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